Im Februar 1925 starb der erste Reichspräsident der Weimarer Republik Friedrich Ebert. Seine Witwe bat Kolbe um die Abnahme der Totenmaske, es folgte der Auftrag vom Direktor des Reichstags, für den alten Wirkungsort Eberts eine Gedenkbüste zu schaffen. Anhand von Fotografien entstand ein Porträt, das Ebert als selbstbewussten, in sich ruhenden Mann charakterisiert, der zudem engagierte Gegenwart bedeutet hat. Als die Büste schließlich im Reichstag aufgestellt wurde, fühlten sich konservative Kräfte von ihr provoziert: Nicht nur, dass sie die Büste Helmuth von Moltkes im „Moltkesaal“ verdrängt hatte, auch die expressive, lebensbewegte Darstellungsweise Kolbes brüskierte, war offenbar doch etwas Staatsmännisch-Tragendes erwartet worden. Die national-konservative Presse stilisierte den „Kunstfall“ zu einem Bildersturm und zelebrierte ihn ausführlich mit hämisch spottenden, wütenden Artikeln in zahlreichen deutschen Tageszeitungen. Der Reichstag sah sich genötigt, ein Gutachten über die Büste einzufordern. Beauftragt wurde damit ein Bildhauerkollege Kolbes, Hugo Lederer, dessen Urteil hart, beinahe diffamierend ausfiel: Die Büste trage den „Stempel der Oberflächlichkeit“, lebensähnliche Details gäbe es „überhaupt nicht“. Aufgrund dieses Gutachtens trat der Reichstag vom Ankauf zurück – doch bedeutete dies nicht das Ende der Affäre. Nun wurden die Gegenstimmen laut. Max Liebermann, Präsident der Akademie der Künste, Harry Graf Kessler, Karl Schmidt-Rottluff und andere namhafte Persönlichkeiten setzten sich öffentlich für die Büste – und auch für den guten, in Schmutz gezogenen Ruf Georg Kolbes – ein. Schließlich wurde sie an ehrenwertem Ort, der Berliner Nationalgalerie, ausgestellt und im Oktober 1925 von der Sozialdemokratischen Fraktion des Preußischen Landtags angekauft. Die Ebert-Streitsache potenzierte Kolbes Bekanntheit sowie die Zahl seiner Porträtaufträge. Stilistisch deutet sie einen neuen Zug im Schaffen des Bildhauers an: Von den vormaligen feinen, geglätteten Oberflächen hat er sich mit der Ebert-Büste zu einer stärkeren Oberflächenbewegtheit hin entwickelt, die er bis zu seinem Tod beibehalten hat.