Inhaltsangabe
Transkription
Berlin W 10
d. 10. III 19
Lieber Hermann, eben hatte ich vor,
Deinen freundlichen Brief vom 4. zu
beantworten, als Dein Anruf kam.
Nochmals vielen Dank für die Nach-
frage. Es sind jetzt wohl so blöde Zeiten,
dass man schon wöchentlich nach dem
gegenseitigen Befinden fragen könnte.
Unsere Gegend ist diesmal, wenigstens
bis heute, gänzlich verschont geblieben.
So wird noch viel gekämpft im Osten
und Norden, man hört immerzu das
Knallen. Abgetan ist mit diesem Erfolg
natürlich garnichts – wie bald wird sich
ein neues Gewitter entladen!
Nun zu Deinen Fragen. Ich freue mich von
Herzen, dass Deine Schwester eine Arbeit
von mir haben will. Die Japanerin(1) ist
nicht mehr da, Auflage vergriffen u. beendet.
Den Mädchenkopf(2) vom Titel meines
Kataloges kann ich schaffen. 2000 Mk – #
Ich möchte aber eher noch zu einer Figur
#Löhne u. Material
sind jetzt teuer zum
Schämen
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raten, welche als „Sklavin(3)“ in Kunst
u. Künstler(4) Jahrg. 15, Heft 12, abgebildet
ist. Leider ist die Aufnahme schlecht und
giebt die Sache nicht wieder. Mir scheint
dies meine beste Plastik zu sein. Ich kann
sie für 2.500 gut giessen lassen. Auch der
Kopf würde natürlich Bronze sein.
Neue Arbeiten gibt es nicht – ich arbeite zunächst
nur bestellte Sachen, und auch mit denen
versuche ich so viel, dass sie kaum reife
Arbeiten werden können. Ehe wir andere
Dinge in Betracht ziehen für Deine Schwester,
so siehe Dir erst mal die Sklavin an.
Du hast sie vielleicht auch aus dem Atelier
in Erinnerung.
Wegen Barlach(5) will ich Erkundigung ein-
ziehen und Dir dann Nachricht geben –
Eine weitere Arbeit von mir in D.[Dresden] angekauft
zu wissen, würde mir natürlich Spass
machen. Alle Dinge können da aber nicht
in Betracht kommen. Vielleicht sprechen
wir darüber, wenn Du mal wieder hier
bist. Sollte irgend etwas Gutes entstehen,
so gebe ich Dir Nachricht. Gross soll die
Sache ja doch wohl nicht sein?
Und nun zu Deiner letzten oder ersten
Frage: Das Meister-atelier. Du weißt, wie ich
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II
darüber denke – es würde der Weg sein,
den ich nicht gehen will. Ob nun unsere
Zukunft so traurig sein wird, dass wir
Brosamen nehmen müssen, weiss ich nicht.
Wird Eure Akademie irgendwie reformirt?
Wenn ein Angebot an mich gelangt und
ich es ausschlage, so ist das wohl kein Unglück.
Viele haben solche Schritte sogar zur Reklame
benutzt. Ich lege die ganze Angelegenheit
ganz in Deine Hände – Du wirst nach rechtem
Ermessen handeln.
Wenn Du mir eine winzige Rente oder
Anstellung im Süden, wo die Sonne
scheint, verschaffen kannst, dort, wo ich
still und frei die paar restlichen Jahre
verbringen kann, dann schlage ich sofort
ein – frage kaum, wohin es gehen würde.
Ich habe nur noch eine Sehnsucht: die Sonne.
Und wenn Du k das könntest, dann
würdest Du sicher auch selbst mitkommen.
Wir ahnten schon vor 20 Jahren, dass man
nur so leben könne. Sonne und vier
Wände mit einer Flasche Landwein!
Wir armen, armen Teufel!
Sei von Herzen gegrüsst, ebenso
Lotti von uns.
Dein Georg –