Werkverzeichnis Georg Kolbe

(Stand: 07.05.2024)

Mit seinem Entwurf für ein stehendes Menschenpaar nahm Georg Kolbe im Oktober 1936 an dem Wettbewerb für die Ausschmückung der Geibel-Bastion am Ostufer des in den Jahren 1934‒36 künstlich angelegten Maschsees in Hannover teil. In Laufe einiger Jahre wurde dort an markanten Punkten eine Reihe von Skulpturen aufgestellt, sodass sich der Eindruck einer „kleinen Kunstausstellung“ ergab. Kolbe war bereits im Oktober 1935 von Justus Bier und Fritz Beindorff, Ausstellungsleiter und Vorsitzenden der Kestner-Gesellschaft Hannover, die 1933 dort Kolbes erfolgreiche Ausstellung ausgerichtet hatten, über einen von ihnen geplanten Wettbewerb für eine „Schmucksäule“ am Nordufer des Sees informiert worden (GK.524). Die Teilnahme von Kolbe kam dann erst für einen zweiten Wettbewerb zustande, nachdem sich Bier und Beindorff, der 1933 bereits die „Große Pietà“ (W 29.008) für Hannover angekauft hatte, bei einem Besuch im März 1936 in seinem Atelier dafür eingesetzt hatten.
Die Ausschreibung erfolgte für hannoversche Künstler „und acht hierzu besonders eingeladene namhafte Bildhauer aus dem Reich“ (Dortmunder Zeitung, 19.10.1936). Die einzig bekannten Entwürfe von Kolbe (Figurengruppe) bzw. Hermann Blumenthal und Fritz von Graevenitz (Reiterfiguren) lassen keine Rückschlüsse auf die Vorgaben der Ausschreibung zu. Die Auswahl der eingeladenen Künstler deutet nicht auf eine favorisierte oder von vornherein festgelegte Richtung hin. Unter den 35 Bewerbern wurde zu Georg Kolbes Gunsten entschieden. Gerhard Marcks erhielt den zweiten, Adolf Wamper den dritten und Fritz von Graevenitz den vierten Preis. Arbeiten von Arno Breker, Hans Weiten und Curt Doehler wurden angekauft.
Kolbe hatte für seinen Entwurf recht bald die Grundidee eines Menschenpaares verfolgt. Von Anfang Juli bis zur Fertigstellung seines Wettbewerbsmodells Mitte August arbeitete er in insgesamt sechs Sitzungen intensiv mit den Modellen, dem Geschwisterpaar mit jüdisch-lettischen Wurzeln Hans, einem Musiker und Instrumentenbauer, und Renate Levi, einer Tänzerin und Choreografin, zusammen. Beide standen ihm auch für andere Figuren Model: das „Jungmädchen“ (W 33.014) und eine „Kleine Stehende“ (W 35.017) bzw. den „Ruhenden Athleten“ (W 35.003) und einen „Stehenden Jüngling“ (W 37.010) , der in überarbeiteter Form Eingang in den „Ring der Statuen“ fand (W 54.001).
Anders als seine anderen Paare, die meist einander zugewandt sind, die z. T. heftig miteinander interagieren, kämpfen, ringen, knien oder tänzerische Figuren bilden, war dieses Paar schon in den zeichnerischen Studien von dem Motiv des ruhigen Stehens bestimmt. Gegenüber seinen zuvor geschaffenen emporsteigenden Menschenpaaren (W 31.001, W 31.002, W 31.016, W 31.017) wurde die Gruppe noch weiter beruhigt. Bei der ersten Umsetzung ins plastische Modell wurde in den parallel gestellten Gliedmaßen die Senkrechte betont, während die auf die Schulter der Frau gelegte rechte Hand des Mannes beide stärker zu einer Gruppe verbindet. Eine Entwurfsskizze (Z1150) belegt, dass Kolbe erwog, dem Paar die zentrale Stelle des „Rings der Statuen“ (W 33.015) zuzuweisen.
1972 wurde das Gipsmodell (Gi422) für die Cantor Collection von der Bildgießerei Noack in Bronze gegossen. Dieser Guss gelangte später zurück ins Georg Kolbe Museum (P91).