Werkverzeichnis Georg Kolbe

(Stand: 07.05.2024)

Für die Georg Kolbe bei seinen Entwürfen für sein Rathenau-Denkmal von Anfang bestimmende Brunnen-Idee fand er bald die Form einer Spirale, die er in Skizzen (Z 393–Z394, Z551–Z554, Z559–Z560) und einem Modell (W 28.026) variierte. Seine endgültige, technische Form, die alle Merkmale des ausgeführten Brunnens aufwies und mit Hilfe der Berechnungen des zu Rate gezogenen späteren Silberschmieds Andreas Moritz entwickelt wurde, war in einem letzten Modellentwurf gefunden (W 28.029). Die Verzögerungen bei der weiteren Entscheidungsfindung seitens der Berliner Kunstdeputation und der Herstellung des großen Gipsmodells führten aber dazu, dass die Einweihung der Brunnenanlage erst am 27. Oktober 1930, stattfinden konnte.
Die generell vorherrschende Unsicherheit bei der Deutung von symbolischen Denkmälern galt erst recht bei der für die Kritiker ungewohnten abstrakt-technischen Form der Brunnenspirale, die zwar als „architektonisch vorbildlich“ und frei von dem sonst üblichen Pathos anerkannt wurde, ihre Interpretationen gingen aber weit auseinander. Der Brunnen konnte als Sinnbild des sich ewig erneuernden fruchtbaren Lebens der Schöpfung, für die Naturkräfte des Wassers oder aber als ein Symbol für das kraftvolle Unternehmertum der Rathenaus als Gründer und Aufsichtsratsvorsitzende der AEG und deren mächtigen, vor allem im Wedding beheimateten Industrieanlagen stehen, wie für die dynamisch wachsende moderne Großstadt Berlin überhaupt.
Reine „Formgebilde“ (Kolbe 1931, S. 144) hatte Kolbe zuvor nicht entwickelt, seine autonome Bildhauerarbeit kreiste ausschließlich um die menschliche Figur. Bei einigen Grabmals- oder Denkmalsentwürfen flossen zwar auch architektonische Elemente oder abstrahierte Zeichen ein, in seiner Monumentalität und technischen Formensprache ist der Rathenau-Brunnen aber in Kolbes Werk singulär. Die konstruierte Maschinenform kollidierte allerdings mit Kolbes handwerklicher Machart: Die Form wurde nicht industriell hergestellt, sondern in alter Bildhauermanier als Gipsform aufgebaut, in Einzelteilen gegossen und vor Ort montiert, für Julius Meier-Graefe eine „peinliche Inkonsequenz“ und nicht auf der Höhe der Zeit (Frankfurter Zeitung und Handelsblatt, 17.1.1931).
1934 nach massiven Anfeindungen demontiert und 1941 zugunsten einer Bronzereplik des Begasschen Schillerdenkmals vom Gendarmenmarkt eingeschmolzen, wurde die Brunnenspirale, wie die gesamte Brunnenanlage 1987 durch den Bildhauer Harald Haacke am ursprünglichen Standort rekonstruiert.