Transkription

13. IV. 34.

Lieber Kolbe!

Vielen Dank für den Kata-
log Deiner und Schmidt-
Rottluff(1)
s Ausstellung. Gern
hätte ich sie gesehen. Bis jetzt
sind aber meine Aussichten
auf eine rechtzeitige Reise
schlecht.

Ich muß Dir eine traurige
Nachricht geben. heute wurde
das Heinedenkmal(2) zur Wie-
deraufstellung im Städelgar-
ten freigegeben. Die Gruppe war
aber nicht, wie behauptet wor-
den war, unbeschädigt. Die
Plinte ist nach der Vordersei-
te verbogen, und der Junge
ist in den Fußknöcheln nach
der entgegengesetzten Seite ge-
bogen. Oberhalb dieser Bieg-
ung ist er unverletzt. Wir

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haben uns mit dem Gießer Komo [Kunstgießerei Komo, Fft. a. M.]
beraten, was zur Rettung ge-
tan werden könnte. Figur u.
Plinte am Ganzen zu biegen
hält Komo für aussichts-
los. Man könnte aber den
vorderen besonders stark
verbogenen Fuß aus der
Plinte schneiden, dann die
Plinte gerade schlagen und
den Fuß an der Figur zurecht
biegen, die sich dann auf
dem zurückgestellten Bein
vermutlich wird aufrich-
ten lassen. Dann müßte der
vordere Fuß wieder in die
Plinte eingeschweißt wer-
den. Die Form am Fußgelenk,
die auch nach dem Biegen
noch entstellt sein wird,
kann wol durch Zisselieren
wieder hergestellt werden.

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Ich sollte Dich fragen, ob Du glaubst,
daß auf diese Weise Aussicht
auf eine Wiederherstellung
vorhanden ist. Wenn ich be-
denke, wie schwer es ist, eine
Figur in Thon richtig auf
die Beine zu stellen, so scheint
mir der Erfolg des geplan-
ten Verfahrens freilich recht
fraglich zu sein. Ich weiß aber
keinen anderen Rat.

Die beiliegende Zeichnung
dient vielleicht zur Klärung
des beschriebenen Zustands.
Sie stellt den Schaden über-
trieben dar.

Herzliche Grüße Dir und
Keudells(3)

Dein
Scheibe.

Anmerkungen

  1. Schmidt-Rottluff, Karl (1.12.1884, Rottluff (heute Stadtteil von Chemnitz) – 10.8.1976,Berlin) Maler, Grafiker und Bildhauer

    http://d-nb.info/gnd/118759795
  2. Werk Georg Kolbes, Heine-Denkmal für Frankfurt am Main, 1912/13.

  3. Familie von Georg Kolbes Tochter Leonore (verh. seit 1923 mit Kurt von Keudell (12.1.1896, Breslau –3.1.1978, Hannover, Diplomat und Maler)