Inhaltsangabe
Zu Kolbes "Porträt Paul Bonatz". Bitte um eine Fotografie. Rückseitig handschriftliche Antwortnotiz von Georg Kolbe.
Transkription
Stuttgart, 5. Februar 1931.
am Bismarckturm 53
Verehrter Herr Professor Kolbe,
als Sekretärin u. Freundin von Bonatz-Stuttgart(1)
sehe ich täglich auf dessen Schreibtische die Photo: Weibliche
Gestalt mit aufgehobenem Arm(2), Teilstück von Ihrem
Beethovendenkmal(3). Ich kenne nichts in der alten u. neuen
Kunst, was so stark ist, was mich so bezwingt. Es ist
so, daß ich es besitzen sollte. Deshalb frage ich bei
Ihnen an: Ist diese Photo schon irgendwo im Kunst-
handel zu haben? Wenn nicht, darf ich sie mir ein Mal
wieder photografieren lassen?
Es ist sehr anmaßend von mir, Sie zu
belästigen, aber Sie müssen ja wissen wie das ist, wenn
man so stark ergriffen ist von einem Kunstwerk.
Bonatz weiß nicht, daß ich Ihnen schrieb, denn
er würde natürlich auch nicht wollen, daß ich Sie be-
mühe. – In seinen Kopf(4) haben Sie, der Sie ihn ganz
kurz erst kennen, so viel Unaussprechliches hinein-
gelegt, so viel ans Licht geholt, das nur die wissen,
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die ihn wirklich kennen. Und all seine Gegensätze
sind verbunden durch den unerhörten Ausdruck der
Augen. Mich schauderte es, als ich den Kopf zuerst
sah, u. ich stehe ratlos vor solch erhabener Intuition.
Es gibt keinen Bildhauer sonst, der das hat,
man findet das eher unter den Dichtern.
Mit verehrenden Grüßen
Ihre
Dora Scholer.
[Ergänzung: Antwortentwurf von Georg Kolbe]
Verehrtes Fräulein Scholer
Ich sende Ihnen gern inliegendes
Bild – denn Ihr Brief hat mich
doch gerfreut – besonders auch
das, was Sie über meinen
Bonatz Kopf sagen. Grüssen
Sie den Meister schön
Ihr GgK.