Transkription

am 2. 4. 35.

Sehr verehrter Meister, ich komme zu
ihnen als ein Suchender. Als einer,
der Ihr Werk verehrt. Und auch um zu
bitten, komme ich zu Ihnen.

Um von Ihnen zu wissen, ob der ver-
zweifelte Zustand, in dem ich mich
befinde, ein erstes Zeichen von etwas
Werdendem sein kann, oder ob er Lebens-
unfähigkeit bedeutet.

Ich habe jetzt Rilkes Briefe an einen
jungen Dichter gelesen: „Geduld ist alles“,
schreibt er da an einer Stelle.
Ich bin ungeduldig.
Ich suche das Leben, seine Tiefen:
in der Musik, in Menschen, überall.
Am stärksten habe ich es gefunden in
Frauen.

Ich habe mich ganz hingegeben an

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alles. Und bin dann doch immer
wieder einsam gewesen wie vorher.

Sagen Sie doch nur ein Wort. Sa-
gen Sie doch nur, dass ich arbeiten soll.
Und sagen Sie mir, was ich tun soll,
damit dies Gefühl der Einsamkeit
nicht zu stark wird in mir. Es nimmt
mir den Willen zur Arbeit.
Ich muss arbeiten, weil ich das Leben
liebe. Ich will Körper modellieren:
Menschen; Frauen!
Nicht nur jetzt; immer.

Sagen Sie mir doch, verehrte Meister,
dass es sich darum zu leben lohnt.

Helfen Sie mir. Sie können die Menschen
doch nicht so stark anziehen und sie dann
allein lassen.

Lassen Sie mich auf ein Wort von
Ihnen hoffen.

Wolfgang Gloth

Und glauben Sie mir, dass dies
nicht ein plötzlicher Gefühlsaus-
bruch ist, sondern dass ich schon
lange vergeblich versuche, einen
Weg zu finden.

Wolfgang Gloth
Bln.-Charlottenburg
Schloßstr. 66