Transkription

(Walther Epstein), W.10 Margarethenstr. 13 II.

d.4/III 08.

Mein lieber Herr Kolbe!

Mein Bescheid auf Ihre Mitteilung
hat sich sehr wider meinen Willen so
verzögert. Unser gemeinsamer Ausflug
nach Zehlendorf bekam mir sehr schlecht;
ich mußte mit einer Influenza ins Bett;
Dann gab's eine sehr aufregende Zeit

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infolge der Erkrankung meines Schwieger-
vaters in Nürnberg, und nach 14tägiger
Reviera Sonne riefen uns die verschieden-
sten Unglücksfälle viel eher wie beab-
sichtigt zurück. In all dieser Zeit habe
ich Ihre Bedenken nicht aus dem Ge-
dächtnis verloren und mit meiner Frau,
der ich die herrliche Gruppe(1) nach Möglich [sic]
vorzustellen versuchte, über die Möglich-
keit des Ankaufs beraten. Ich hoffe, Sie
werden's richtig auffassen: Der Hausbau
kostet so sehr viel mehr wie wir erwar-

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tet hatten und zwingt uns zur Zeit zu einer weiseren
Einteilung, wie sie uns beiden liegt. Diese Summe
würde uns jetzt nicht möglich sein {auszugeben}, und auch
die Festlegung für mehrere Jahre ist bei einer
Verteilung auf mehrere Termine möchte ich jetzt
vermeiden. So müssen wir das wundervolle
Werk zum Wannsee ziehen lassen, wo's hoffent-
lich recht bald einen ebenso begeisterten Käu-
fer findet. Vielleicht ist es uns vergönnt,
in absehbarer Zeit ein Werk Ihrer Hand
bescheideneren Umfanges zu erwerben. Je-
denfalls darf ich mir erlauben, meine Frau

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mal ins Atelier zu bringen, damit sie mein
Entzücken ganz begreift.

Hoffentlich sehen wir Sie beide recht bald
mal; bei mir ist's zwar recht ungemütlich,
Umzugsstimmung und unser Mädel nicht
mal zu Haus; sie ist bald bei meiner
Mutter geblieben. Mit den allerherzlich-
sten Grüßen von uns zu Ihnen

Ihr
sehr ergebener

Walther Epstein.

Anmerkungen

  1. Werk Georg Kolbes, "Badende Mädchen", 1907/08