Transkription

(Prof. Dr. h. c. Georg Kolbe, Berlin-Charlottenburg 9, Sensburger Allee 25, Fernsprecher 99 49 28)

23.VI 46

Liebe Julia, verzeihen Sie dieses
lange Schweigen – seit 4 Wochen
bin ich in Sauerbruchs(1) Behandlung,
zwar noch nicht in der Klinik unter
dem Messer – aber doch immer sorgen-
voll belastet, was wohl werden wird.
Habe wieder Blut im Harn – ganz wie
früher – jedoch behauptet S., dass diesmal
ein anderer, weniger schwere Grund vorliege.
Warten wir also ab!

Ihr lieber letzter Brief ist vom 21.V – ich
hätte Ihnen längst für all Ihre Freundschaft,
die darin zum Ausdruck kommt, danken

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müssen. Für Atelierhandtücher wäre ich
sehr eingenommen! Mit Pelzware bin
ich aber genügend eingedeckt, sowohl
Schuhsohlen als auch Kleidung betreffend.

Sehr fehlen ein paar anständige
Strassenschuhe – Grösse 43–44 – aber
darin werden Sie auch nichts auftreiben
können? Dann macht das eben auch
nichts – freue mich herzlich auf den Sweater.

Wie traurig bin ich mit Ihnen über
das Geschick Ihres Bruders. Möchte es
sich inzwischen erleichtert haben! Im
Übrigen darf ich von mir sagen, dass ich
bald am Ende meiner Spannkraft bin –
Nichts will vorwärts gehen – Von Herzen

Immer Ihr alter Georg K.