Inhaltsangabe
Der Brief ist unvollständig.
Transkription
24.11. [Datum nach Poststempel]
Nach meinem Weggang gestern dachte 
ich, wie einfach und selbstverständlich 
für Sie die Frau aussieht und 
wunderte mich, daß ich mich 
jemals verwirren lassen kann 
von zweiflerischen Gedanken. 
Da hörte ich bei meinem Eintritt 
ins Opernhaus: dieses lächerliche 
Gebaren um das Kind, das ganze 
Haus wird umgedreht! und 
sofort spann ich das Thema 
weiter. 
Die Frau ist das Schoßkind der 
Natur, das {mehr} Geliebte, Glücklichere 
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und Unfreiere. 
Der Mann ist ein Mal er-
wachsen, das Weib nie. 
Es wird mit raffinierter Eile 
entwickelt, mit Witz oder Dumm-
heit, Schönheit und Reiz in 
allen Variationen ausgestattet 
zum Schein frei, sofort wieder 
ans Herz der Mutter Natur 
gezogen. Der werdende 
Mann entwickelt sich erst 
in die Breite, und auf 
dieser festen Grundlage 
reckt er seine Arme in die 
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ewig unerreichbare 
Höhe. 
Das Weib schießt in die Höhe 
gestützt und geleitet und 
breitet seine Äste. 
Die Ferne wird Nähe und 
ist tot.
Mit dem Kind wachsen, heißt 
das nicht, das eben unbe-
wußt zurückgelegte Leben 
bewußt zu erleben, und 
kann man das Wachsen 
nennen? 
Hat die reifere Frau nicht 
immer ein plus, sowohl für 
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sich wie für das Kind? 
Übrigens, die Hetären der 
Griechen sind der lebendige 
Beweis dessen, daß es die 
Frau nur geteilt giebt in 
zwei Individuen, eben die 
Frau und die Hetäre. 
Die Vereinigung der beiden 
ist das Anormale, das 
Wunder, wenn sie glücklich 
gewählt ist. Und eigentlich 
darf man darüber auch nicht 
reden. (So wenig wie über die Minder-
werten.) 
Heute ist die Ferne noch so lebendig 
in mir wie die ewig unstillbare Liebe. 
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Ihre Bertel.