Werkverzeichnis Georg Kolbe

(Stand: 07.05.2024)

Die Komposition dieser stark bewegten Figur hatte Kolbe bereits 1925 als „Bewegungsskizze II“ (W 25.025) geschaffen und im selben Jahr erstmals in der Galerie Paul Cassirer in Berlin ausgestellt. Eine Zeichnung (Z410) belegt, dass er bereits für den „Brunnen Simon“ (W 25.007) eine Vergrößerung in Betracht gezogen hatte. Erst 1932 gab er die Vergrößerung bei der Gießerei Noack in Berlin als autonome Figur in Auftrag. Eine zeichnerische Studie (Z2599) entstand wohl in diesem Zusammenhang. Mitte Januar bis Mitte Februar 1933 wurde die Bronze unter dem neuen Titel „Ruf der Erde“ in der Ausstellung „Lebendige deutsche Kunst“ ebenfalls bei Cassirer gezeigt. Als eine der prägnantesten Figuren Kolbes wurde sie oft abgebildet und war Teil vieler wichtiger Ausstellungen. 1933 wurde von der Kestner-Gesellschaft Hannover eine Radierung als Jahresgabe aufgelegt (G50), in der sie Kolbe zeichenhaft auf ihre charakteristische Kontur reduzierte.
Die im Kontext des Ausdruckstanzes als expressive Bewegungsstudie entstandene kleine Figur deutete Georg Kolbe nach dem Tod seiner Frau in einem Gedicht selbst zu einer Trauer-Figur um: „Senkst Du die Schwingen / Es wartet die Erde / Alle die waren / ruhen in ihr“ (Tiesenhausen 1972, S. 41) und brachte dies auch in der Umbenennung zum Ausdruck. Die einerseits in sich zusammengesunkene, sich aber noch in Bewegung der Erde wie lauschend zuwendende Frau wurde von Kolbe oft auf engem Sockel ausgestellt, sodass ihr die in der Luft schwebende rechte Hand einen vagen, buchstäblich in der Schwebe gehaltenen Ausdruck verleiht. Adolph Donath kam zu der Deutung, die Dargestellte horche „wie es im Inneren der Welt gärt, stürmt, quillt“ (Berliner Tageblatt, 17.1.1933).
In den 1930er-Jahren konnte Kolbe weiterhin viele seiner Bewegungsstudien der 1920er-Jahre verkaufen, so auch die Vorstudie zum „Ruf der Erde“, was neben der Motivation, eine große Gedenk-Figur für seine verstorbene Frau zu schaffen, ein Grund für ihre Vergrößerung gewesen sein mag. Seine weitere Entwicklung wies in dieser Zeit in die Richtung der „ruhig gerade stehenden Menschen mit herabhängenden Armen“ (Scheibe 1931, S. 98).