Werkverzeichnis Georg Kolbe

(Stand: 07.05.2024)

„Der Befreite“ war 1945 Georg Kolbes erstes Werk nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Erst Anfang des Jahres war er aus Schlesien, wo er seit Dezember 1943 in einem Lager des Reichsarbeitsdienstes evakuiert gewesen war, nach Berlin zurückgekehrt. Zuvor hatte ein Bombenangriff der Alliierten sein Haus schwer getroffen, er selbst nur mit Glück überlebt. Das Ende des Krieges, „den Tag der Befreiung durch die Russen“, hatte Kolbe „als Auferstehung“ erlebt (Tiesenhausen 1987, S. 187). Kein anderes Werk Kolbes lässt sich so eindeutig mit einem geschichtlichen Ereignis in Verbindung bringen. Die unsichere Haltung des „Befreiten“ mit den vors Gesicht geschlagenen Händen ist aber eher von Erschütterung und Beschämung geprägt als von unbedingter Freude und konnte gerade deshalb zum Ausdruck für die Zeitstimmung werden, ohne dass von Kolbe symbolische oder allegorische Darstellungsformen bemüht werden mussten.
Die Haltung des „Befreiten“ ähnelt indes verblüffend Max Klingers grafischer Darstellung des „befreiten Prometheus“, die Georg Kolbe bekannt gewesen sein dürfte. Ein Bezug zur Prometheus-Figur ‒ dem Menschenbildner, dem Kulturstifter, der wegen seiner Vermessenheit von den Göttern mit ewiger Marter Bestraften ‒ ist durchaus denkbar, auch wenn ein Beleg dafür fehlt. Wie Kolbe gestaltete Gerhard Marcks seinen „Prometheus“ 1948 als vornübergebeugte Sitzfigur.
Noch im Oktober 1946 konnte Kolbe den „Befreiten“ auf der zonenübergreifenden Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung in Dresden ausstellen. Schon im Mai/Juni war der „Befreite“ im Berliner Zeughaus zu sehen gewesen, in der „1. Deutschen Kunstausstellung“, die die Deutsche Zentralverwaltung für Volksbildung in der Sowjetischen Besatzungszone veranstaltet hatte, und im September/Oktober in der Städtischen Kunsthalle Gera. Als eines der ganz wenigen Kunstwerke, die sich überhaupt mit der Befreiung auseinandersetzten, wurde „Der Befreite“ zu einem der bekanntesten Werke Kolbes.