Transkription

(Wil Howard), Mittenwald 15.IV.42

Verehrter Herr Kollege!

Wenn ich so sagen darf zu dem erfolgreichen
Künstler, den ich vor Jahrzehnten im Kreise
Max Klingers(1) bei Gelegenheit einer Jurysitzung
des Deutschen Künstlerbundes(2) in Leipzig
kennenlernte. Ihr Urteil verhalf damals mit,
meinem kleinen Frauenköpfchen zu einer
Einladung für diese Arbeit zur nächsten
D.K.B. [Deutscher Künstlerbund)-Ausstellung – (heute steht sie im städt.
Museum in Leipzig – oder besser in einer Kiste
in einem bombensicheren Keller dort). Obgleich ich
jetzt nur mehr als Maler – und zwar seit
einem Jahrzehnt, hier in Mittenwald tätig
bin, habe ich Ihr künstlerisches Werk
nicht um seiner selbst Willen, sondern be-
sonders auf Grund der damals gefundenen
persönlichen Eindrücken u. „Erinnerungen“ {stets vor Augen}.

Die Rundfunksendung aus Ihrem Atelier(3)
lief eben über den Sender u. die lebhaftest
erwachende Erinnerung gibt mir den frohen
Anlaß, Ihnen zu Ihrem dort verkündeten
65. Geburtstag zu gratulieren. Ich bin selbst

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vor einigen Wochen in das 63. Jahr
gegangen und bin glücklich, hier in
meiner freiwilligen Eremitage alle Tage
noch frischert arbeiten zu können –
wenn auch, durch die Flucht aus der
Öffentlichkeit, nur für mein eigenes
Glück u. den Unterhalt, den ich als
Alleinstehender – im Blumengarten
meiner Erinnerungen an meine Pariser
u. italienischen Jahre leicht erbringe.

Eine große Schublade farbiger Reproduktionen
ist mein Museum, hält die Fäden zu
meinen Impressionisten, die ich von
Rodin(4) bis Cezanne(5) u. van Gogh(6) um 1900
– 1912 noch persönlich mit aller Glut meiner
Begeisterung miterleben konnte. Ab u. zu
kommt mal einer her, der um meinen
Aufenthaltswinkel weiß, wie dieser Tage
der Museumsdirektor von Leipzig Dr. Teupser(7),
und sie finden mich jung, wie Sie es
auch sind. Wenn ich das leisten könnte,
was ich um das einzig schöne, die Kunst
weiß, würden alle von mir wissen und
– so ist es gut so, wie es ist. Manches wird
man später ja auch noch von mir „finden“
u. von meinem Glück, durch u. durch Künstler
gewesen zu sein, künden.

Diese Worte u. meine Glückwünsche im An-
denken an eine, auch fröhliche persönliche
Begegnung vor etwa – 30 Jahren.

Ergebenst grüßend Ihr
Wil Howard.

Anmerkungen

  1. Klinger, Max (18.02.1857, Leipzig – 04.07.1920, Großjena), Künstler, Maler, Radierer, Grafiker, Bildhauer

    http://d-nb.info/gnd/118563335
  2. Deutscher Künstlerbund, gegründet 1903 auf Initiative von Harry Graf Kessler als erste überregionale Künstlervereinigung.

    http://d-nb.info/gnd/2008474-2
  3. vermutlich ausgestrahlte Sendung des Reichssenders Berlin, aus Anlass des 65. Geburtstages von Georg Kolbe, in dessen Atelier aufgenommen

  4. Rodin, Auguste (12.11.1840, Paris – 17.11.1917, Meudon), Bildhauer

    http://d-nb.info/gnd/118601717
  5. Cézanne, Paul (19.1.1839, Aix en Provence – 19.10.1906, ebd.), Maler

    http://d-nb.info/gnd/118519964
  6. Gogh, Vincent van (30.3.1853, Groot-Zundert – 29.7.1890, Auvers-sur-Oise), Maler, Zeichner

    http://d-nb.info/gnd/118540416
  7. Teupser, Werner (17.6.1895, Leipzig – 2.1.1954, München), Kunsthistoriker. Direktor des Museums der Bildenden Künste Leipzig 1929 – 1945

    http://d-nb.info/gnd/142458430