Inhaltsangabe
Zum Porträt seines dreijährigen Sohnes Curt und zur Nietzsche-Arbeit Richters.
Transkription
13/12 03.
Nonnenstr. 2b 
Sehr geehrter Herr Kolbe 
In der Eile des Aufbruchs gestern konnte ich 
Ihnen nicht ausdrücken, eine wie große Freude 
Sie mit dem entzückenden Werk(1) meiner Frau 
und mir gemacht haben, und sicher auch bald mei-
ner Mutter und unseren Berliner Verwandten und 
Freunden machen werden. Über den künstlerischen 
Wert Ihrer Leistungen konnten wir ja nach dem Be-
such Ihrer Ausstellung bei Beyer(2) nicht zwei-
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felhaft sein; daß Sie aber die Individualität unsres Jungen 
nach der physischen wie psychischen Seite so schnell erfassen 
und durch Farbe wie Zeichnung so großzügig zu symboli-
sieren vermochten, war uns eine sehr liebe Weihnachts-
überraschung. Nehmen Sie nochmals unseren wärmsten 
und herzlichsten Dank auch für die große Mühe, die 
Sie sich mit dem kleinen Quecksilbermodell(3) gegeben 
haben. 
Meine Frau wird versuchen, morgen nachmittag Ihre 
Frau Gemahlin aufzusuchen; doch bittet sie, sich in 
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nichts hierdurch binden zu lassen. Als ein kleines äußeres 
Zeichen meines Dankes wird Ihnen dieser Tage eine 
Arbeit von mir über „Friedrich Nietzsche“ zugehen, aus 
der Sie vielleicht die Beziehungen zu R. Wagner(4) im 
II. Capitel intereßieren könnten, sowie eine Sammlung 
von Kant-Aussprüche(5)n, in denen Klinger(6) die Sentenzen 
(des trotz einer ### auch auf diesem Gebiete genial 
schauenden Mannes) über Kunst (aus dem 2. Teil) 
so außerordentlich schön gefunden hat. Also nochmals 
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Mit dankbaren Grüßen
Ihr 
ganz ergebener 
Raoul Richter