Transkription

Florenz,
d. 22.10.35.

Mein lieber Kolbe,

Gern hätten wir Sie vor unserer
Abreise noch einmal gesehen.
Aber Abreise – packen,
man wird unruhig, ich
habe einen Tag nach dem
anderen zugegeben und
dann kurz und bündig alles
in den Koffer gesteckt und
bin abgefahren. Erst waren
wir am Rhein, haben unsere
Tochter verheiratet (es kam
plötzlich), und einen Tag
und eine Nacht und wir

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waren hier. Oh Gott! –

Sie sind ja nun klug, in
Ihren vier Wänden spielt
sich Ihre Welt [ab]. Es wird
noch ein paar Jahre dauern,
bis ich Ihre Weisheit mir
zu eigen gemacht habe –
Kurz und gut, plötzlich war
ich hier. – Als ich zum
Fenster hinaus schaute, dachte
ich, hier werde ich eine Rede
an mein Volk halten.
Nach diesem ersten Eindruck
kamen die Einrichtungssorgen.
Ohne Frau, meine geduldige
Ida, wäre ich auf und davon.

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Für 10 Lire (2 Mark) kaufte Ida
einen Blumenladen aus (ist
das billigste hier). Wein, Obst,
Käse, und wir hatten das Ge-
fühl von Überfluss, im Gegen-
satz zur Einrichtung. Nach-
dem ich alles, was an die
glorreiche Zeit, nach 70, erinnerte,
{hinaus geworfen hatte}, ist es uns gelungen, ein Zimmer
etwas nett herzurichten.

— Wir sind noch mitten
im eingewöhnen. Wir werden
bald wieder etwas von uns
hören lassen. Heute wollten
wir Sie nur herzlich grüssen,
da wir öfters voller Herzlich-
keit und Freundschaft

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an Sie denken.

Ihr Philipp und
Ida Harth.