Inhaltsangabe
Transkription
(Professor Paul Bonatz, Architekt, Stuttgart, den) 23.4.42
(Am Bismarckturm 53. Telefon 20125)
Verehrter lieber Kolbe!
Als Nachzügler wünsche ich Ihnen zum 65. viele
weitere Jahre ebenso lebendige Schaffensfreude. Sie
stehen in gleichmässiger Ruhe über dem Getümmel
und können der bleiben, der Sie waren.
Was war das eine Aufregung um den neuen
Stern Thorak(1), bis endlich eingesehen wurde, wie
ordinär der Meister ist: die proletenhaften Reliefs
an der Reichsbank(2), wie kitschig jugendstilhaft süsslich
das Menschenpaar(3) in der letzten Münchner Ausstellung,
wie unsinnlich das sinnliche Thema des Paris Urteils.
Wenn man mich fragen würde: „Welche der drei Damen
würden Sie wählen?“, so würde ich nur sagen können:
„Stelle anheim“, denn es ist alles die gleiche Affektiert-
heit. – Arno Breker(4) habe ich als Menschen wie als
Künstler sehr gerne und sehe nun, wie die unselige
Massen- und Monstreaufgabe der 600 lfd. meter Reliefs
für den Monstre Triumphbogen(5) ihn ruiniert. Nur
mit einer barocken Verzerrungsmanier kann er sich
aus dieser Sintflut retten. Er kann sich auch retten,
wenn er Zeit findet, sich selbst Aufgaben nach seiner
Wahl zu stellen.
– Das große Thema Baukunst kann man nur
mündlich verhandeln. Entschuldigen Sie, lieber Kolbe,
daß ich mich in allgemeine Töne verliere, ich wollte
ja Ihnen sagen, mit wie herzlicher Sympathie ich
an Sie denke und an die Tage, als Sie mein Porträt(6)
machten, das ich unentwegt für eine besonders gute und
gelungene Arbeit ansehe. Ich war oft in Berlin, aber
immer zu scheu, Sie anzurufen, aus Furcht, Sie zu stören.
Die beruflichen Reisen werden seltener, aber ich hoffe doch,
noch einmal mit Ihnen zusammen sein zu dürfen.
Alles Gute für Sie
Ihr P. Bonatz