Transkription

Lüdenscheid 12.IV.47

Sehr verehrter,
lieber Herr Professor!
Mein Glückwunsch zu
Ihrem diesjährigen Ge-
burtstag wird wohl ver-
spätet eintreffen. Wir
haben vor zwei Wochen
unsere gute Mutter ver-
loren. Das hat soviel
an Kummer und Sorgen
mit sich gebracht, daß [sich]
für meine Angelegenheiten
kein kleines Weilchen Zeit
fand.

Im vergangenen Jahr
durfte ich bei Ihnen im
Garten sitzen, die Sonne
schien, ein Vögelchen spa-

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zierte unterm Busch am
Rasenrand, es war ein
unbeschreiblicher Frühlings-
tag. Ich werde in meinem
Leben diese Stunde, die ich
an Ihrer Seite auf dem
Bänkchen verbringen durfte,
immer als eine der teuersten
uns kostbarsten Erinnerungen
bewahren.

In diesem ganzen Jahr
habe ich Sie nun nicht
sehen dürfen. Wie mag
es Ihnen gesundheitlich
gehen? Wie haben Sie wohl
diesen schrecklichen Winter
überstanden? Ich war zumeist
in Bitterfeld, wo ich in einer
Tonwarenfabrik arbeitete.
Zwischendurch dann zweimal

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hier und nun ist die Si-
tuation so, daß ich vor-
läufig hierbleiben muß.
Den Mai allerdings will
ich für 14 Tage nach Berlin
fahren und dann, hoffe
ich, werde ich Sie sehen
dürfen.

Lieber Herr Professor,
ich sende Ihnen meine
innigsten Wünsche für
das kommende Jahr.

Möge Ihre Schöpferkraft
unserem armen Volk
ungetrübt erhalten bleiben.

Ihre Ihnen
stets dankbare
Maritta Neuerbourg