Inhaltsangabe
Zur politischen Situation in Sachsen und zu seinen Umzugsplänen. Zur Situation des Chemnitzer Museums nach dem Krieg.
Transkription
13.2.46
Lieber Kolbe, es war
schön, von Ihnen zu hören, wieviel
habe ich an Sie gedacht u. wollte immer
schreiben – nur oft befällt mich Apathie,
zumal wenn die Zeitumstände einem
zu dicht vor die Nase rücken. Zum
Arbeiten komme {ich} eigentlich nur spora-
disch – es sind die äusseren Umstände
keineswegs leichter geworden. Für
die Zukunft bin ich sehr skeptisch ge-
stimmt – besonders hier für Sachsen –
wo man die eine Diktatur am liebsten
mit einer 2ten ablösen will. Und
so geschieht natürlich auch hier nichts
– Privatinitiative, die für ein demo-
kratisches Land Voraussetzung ist,
scheint unerwünscht, fast strafbar.
Uns selbst geht es wohl noch ver-
hältnismässig gut, aber wir kommen
uns hier recht entwurzelt vor –
Seite 2
solange es Notbehelf war, hier zu sein,
ging das hin. Jetzt möchte man irgend-
wo wieder anfangen, den Tag wieder
für sich haben ˗ aber wie. Ob es mit
der Übersiedlung nach Bln[Berlin] klappen
wird, weiss ich noch nicht – und viel-
leicht ist Bln noch schrecklicher. Das
viele Kulturgerede, das wenigstens
nur aus der Ferne herklingt, ist
zum Übelwerden – u. zudem ich merke,
das Alter ist da u. seine Erschei-
nungen sind nicht angenehm.
Heute war ich gerade beim Medizin-
mann, nun ja – man soll ruhig
leben, sich nicht anstrengen, sich
nicht aufregen – geht das vielleicht?
Wie geht es denn bei Ihnen mit
den Augen? Ist da etwas geschehen
– an Ihrer Schrift kann ich nichts
Seite 3
merken. Es hat mich immer be-
schäftigt.
In Chemnitz sind trotz der vielen
Maler, die sich angefunden haben,
glücklicherweise keine Ausstellungen
möglich – das Material ist einfach
unzureichend. Schreiber˗Weigand(1) wird
wohl sein Museum nach dem Schloss-
berg verlegen, wo er schon etliche recht
anständige Räume zurecht gemacht
hat – vorläufig wissen wir noch nicht,
welche Bestände dem Mus.[Museum] belassen
werden.
Ihre Mitteilung über F. hat mich erschreckt
– das durfte nicht vor-
kommen – die Bestie Politik gerät
immer an die Grausamkeit – wozu
dann die Aufregung über die andern.
Seite 4
– Sind die Modelle Ihres Beethoven(2)
erhalten geblieben? Wo bleibt das
nur einmal.
Sehen Sie Scheibe(3), grüssen Sie
herzlich von mir – ich hoffe doch, wir
können in absehbarer Zeit gemein-
sam unsre Kümmernisse mit
Worten beträufeln.
Herzlich alle Grüsse u.
alle besten Wünsche – auch
von meiner Frau
Ihr alter
SRottluff