Transkription

D'dorf, den 18. Sept. 1930

Sehr geehrter Herr Professor!

Sie mögen nun einmal wieder von
mir hören.
Es hat mir recht gut gegangen. Das Kommen
und Gehen von Leid und Freude war natür-
lich unabwendbar. Ruhe und Unruhe sind
Dinge, welche wir nun einmal ertragen
müssen, und wenn {man} genügend Liebe und
Schönheit erfährt, so geht's schon.

Ich habe die ganze Zeit für mich und allein
gearbeitet. Das war oft bitter, aber wenn ich
dann nach Zweifeln und Mühsalen etwas
Ordentliches fertigbrachte, dann hatte ich es
nicht bereut. Manchmal hätte es gut
getan, eine Stunde mit Ihnen zu plaudern.

Ich halte mich von den Künstlerkreisen D'dorfs
fern. Mit Leuten über sich{zu} reden, ist zumeist
unerfreulich, zumal mit Künstlern. Wenn ich
in einer stillen Stunde zu Rodin(1) oder Lehmbruck(2)
oder – Nolte(3) gehe, dann weiß ich selbst, daß
ich noch nichts kann und daß Arbeit, Arbeit
Arbeit – – – –! Es ist auch so, daß ich mit
jeder Arbeit unzufriedener werde.
Und dennoch ist es so, daß ich nicht ablassen
kann von diesem schönen Schaffen. Wenn oft
alle Traurigkeit über einen hereinbricht und
kein Trost scheint, dann arbeiten! Das ist
verflucht schön!

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Oft ist mir, wie wenn wir die Sünden
unseres Lebens durch Arbeit wieder gut
machen müssten.

In mancher Stunde ist alles in mir wach
und dann spricht alles zu einem, gütig
und einfach. O wie einfach müssen wir
werden, um es zu sagen, unseren Weg
als Schaffender zu gehen. All das Geschrei
der Menschen, die {sich} Kunstmaler und Kunstbild-
hauer nennen, ist unsagbar traurig.

Wie wenig haben wir doch eigentlich mit
Kunst zu tun, wenn wir arbeiten.

Das Schaffen eines Menschen ist das Zu-viel
von dem, was er nicht mehr in sich hinein
kriegt! Aber dazu muß man erst mal
angefüllt sein. Ich wollt', ich wär's!

Leben Sie wohl, und nehmen Sie
mein Geschreibsel nicht als Belehrungen,
sondern als „Bekenntnisse eines Anfän-
gers“!

Ich habe oft verteufelte Sehnsucht
nach einer Stunde Heerstraße.

Herzliche Grüße

Ihr
Ivo Beucker