Inhaltsangabe
Transkription
23.12.04 [Datum von anderer Hand zugefügt]
Lieber Freund,
Vielen Dank für Deinen Brief und das Derleth(1)sche Buch, 
mit dem Du mir eine große Freude gemacht hast. Aller
dings nur deshalb, weil ich mich für den Mann interessiere. 
Das Buch hat mich, ich will es zugeben, enttäuscht. Manches 
fand ich wohl, was ich erwartet hatte, aber das Ganze bleibt 
mir unerfreulich. Der Mann, der, wenn ich ihn recht ver-
stehe, den genialen Gedanken hat, daß Moral nicht ge-
lernt, sondern nur befohlen werden kann, dürfte sich nicht so 
stark in der Form vergreifen. Das Durcheinander von 
Lutherdeutsch, apokalyptischen Phrasen, Nietzscheworten und 
leider auch sprachlichen Plattheiten muß doch jeden Eindruck 
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verfehlen und zudem – der Mann aus Assisi ward erst 
der heilige Franz, dann schloß sich um ihn der Franziskaner-
orden, Derleth will ja offenbar erst den Orden bilden, der ihn 
zum pater angelieux ernennt. Da spielt ihm doch wohl 
seine Eitelkeit einen schlimmen Streich, durch den alle Über-
zeugungskraft aufgehoben wird. Das ist mir sehr leid. 
Ein anderes mal vielleicht noch mehr darüber. 
Wir sind in Gedanken bei Euch und unsere Wünsche für 
das Wohlergehen der Freunde sind in diesen Tagen be-
sonders lebhaft. Eine kleine Gabe, die wir heute abgehen 
ließen, bitten wir mit der Freundschaft aufzunehmen, aus 
der heraus sie gegeben wurde. Wenn sie dem täglichen 
Gebrauch dient, so soll das, darum bitten wir, nicht lästig 
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empfunden werden. Wir haben Eurer bei der Sendung mit 
viel Herzlichkeit gedacht. 
Wie kommt es, daß wir Aussicht haben, Dich hier zu sehen? 
Das wäre freilich schön. Wir sind beide wohl. Die Frau 
hält sich gut und ist heiter, was mich sehr freut. 
Hettner(2) ist hier. Er wollte in dieser Woche nach Berlin kommen, 
um zu mieten, lag aber an einer starken Influenza zu Bett. 
Nun wird er erst in der ersten Januarwoche fort kommen, 
da er hier noch vielerlei zu erledigen hat. Er freut sich sehr 
darauf, Dich zu sehen und Frau und Kind kennen zu lernen. 
Seine Heiratspläne scheinen noch keine rechte Gestalt zu haben. 
Ich will mich jetzt durchaus nicht mit Dir über unsere verschie-
denen Ansichten über die Sache auseinandersetzen. Nur ver- 
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wahre ich mich gegen den Vergleich meiner Stellungsnahme zu Deiner 
Heirat mit meiner Ansicht über Hettners Pläne. Beidemal kannte 
ich die Frau nicht und urteilte nur nach der Kenntnis des einen 
Teils. Aber damals schreckte ich nur vor der Größe des Wagnisses 
zurück, alle Schwierigkeiten zu mißachten; ich hatte also, da ich 
mich doch offenbar geirrt habe, Dich damals noch nicht recht gekannt, 
nicht so, wie ich Dich eben durch die Heirat dann kennen lernte. – 
Doch das wird ohne Philosophieren erledigt werden.
Meine Frau grüßt herzlichst.
In treuer Freundschaft
Hermann Schmitt