Inhaltsangabe
Transkription
26.11.03 [Datum von anderer Hand zugefügt]
Lieber Freund, ich bin beim meinem Überdenken dessen, 
was ich von Dir schreiben soll, zur Überzeugung gekommen, daß 
es am besten ist, die Sache noch einmal neu zu ordnen, 
wenn ich auch die Stücke des schon Geschriebenen zum Teil 
wieder mit benutzen will. Dabei soll es freilich bleiben, 
daß ich zum Anfang von Deiner Plastik, dann von Deiner 
Malerei spreche, ich werde nur die Sachen, die reproduziert 
werden sollen, nun genauer besprechen und zum Schluß 
den Bach nehmen, was mir ganz gut gefällt. So wie 
die Sache bisher angelegt ist, hatte ich mir sie als Begleit-
wort zu einem einzelnen Bild eben gedacht. Da du aber 
von einer selbstständigen Publikation schreibst, so werde ich 
versuchen den Gegen Rahmen noch ordentlich zu erweitern. 
Das Geschriebene schätze ich auf 10 Druckseiten, das doppelte
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davon wird ja nicht schaden. Nur möchte ich Dich noch bitten, 
mir ein paar Abbildungen zu schicken: den älteren rö-
mischen Bronzekopf, Giovanni(1), glaube ich, den Bach(2), und, 
wenn möglich, auch den Sommertag(3). Das wird meiner Arbeit 
sehr zustatten kommen. Von Deinen früheren Arbeiten habe 
ich außer dem Keulenschwinger (den ich vielleicht ganz fallen 
lasse) nur den Marmorkopf in der Photographie da. Je eher 
ich die beiden Bilder bekommen kann, umso lieber ist es mir, damit 
die Arbeit recht zügig fertig wird. Für wann hast Du See-
mann(4) die Ablieferung zugesagt? Ganz gern sähe ich 
auch noch eins der Vollblätter aus dem Faust(5) mit repro-
duziert; fer oder geht das nicht? 
Wir sprechen oft von dem Besuch bei Euch und hoffen, bald 
wieder kommen zu können. Lieber Freund, es wäre doch 
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sehr schön, sich öfters zu sehen, Du weißt, wie sehr ich das ent-
behre, zumal ich hier wirklich in mehr als einer Hinsicht mit 
meiner Frau recht verlassen bin. Nun wird das freilich nicht 
leicht möglich sein. Aber jetzt schon denke ich mir aus, wie es 
wäre, wenn Ihr auf dem Lande wohntet und wir einmal 
im Sommer auf einige Zeit in Eure Nähe ziehen könnten. 
Meine Frau wäre gern dabei, wenn so was mal möglich 
wird. Denn so ein Besuch in Leipzig ist eben doch erbärmlich 
wenig. – Wir waren froh, Tuch(6) einen Abend – mehr be
willigte er nicht – hier zu haben. Er erzählte viel von Paris 
und gefiel mir wieder sehr, wenn ich auch nicht recht zur 
Überzeugung gekommen bin, daß er in Paris die Quellen 
seines eigenen künstlerischen Schaffens wirklich gestärkt hat. 
Da kann ich mich aber getäuscht haben und möchte nun 
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gern sehen, was er mitgebracht hat. Aber Hettner(7) ist wohl für 
Tuch kein förderlicher Umgang gewesen. 
Was macht das Kind? Mein Bruder schrieb, daß er bei Euch 
war und ist dankbar, wenn er kommen darf. Wenn ich ihn 
ab und zu mal in Eurer Gesellschaft weiß, so soll mir die 
ganze übrige Gesellschaft, die er in Leipzig hat, gleichgültig 
sein. 
In dem Heft des Mercure de France, das ich mir wegen des 
Gauguin angeschafft habe, dachte ich, auch die Skizze über van Gogh 
von Deinem Schwager zu finden? Da habe ich wieder mal nicht 
recht aufgepaßt. Das, was Gauguin sagt, ist oft sehr er-
greifend. Was giebt es für schöne tiefe Winkel in der 
Welt und in so einem Menschen. 
Wir grüßen beide und bleiben in Eurer Freundschaft
Dein Hermann Schmitt