Transkription

23.04.03 [Datum von anderer Hand zugefügt]

Lieber Freund,

Ich schicke Ihnen nun endlich den Blacke(1), an dem
Sie und Ihre Frau gewiß viel Freude haben werden und
lege die versprochene Photographie meiner Frau bei, die leider
die Veranlassung ist, daß ich mein Versprechen erst so spät ein-
löse. Ich traf sie bei meiner Rückkehr wieder nicht wohl
an. Alle Vorsicht war umsonst gewesen, sie liegt nun schon 3
Wochen wieder im Bett, ist deprimiert und kann noch gar
nicht daran denken, aufzustehen. Nachdem nun so kurz
hintereinander das Unglück zweimal hereingebrochen ist,
woran ich freilich auch dem Arzt einige Schuld gebe, wird
wohl eine sehr lange und ganz sorgfältige Schonung

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nötig sein, die für mich nicht nur eine längere Trennung
von meiner Frau im Sommer nötig machen wird, sondern
auch für längere {die spätere} Zeit vorläufig es ausschließt, meine
Frau als voll aktionsfähig anzusehen. Das ist nicht sehr er-
freulich und zerstört manche Hoffnungen, die ich auf den Sommer
gesetzt hatte, zudem auch die auf ein Kind, die bei mir, seit-
dem ich bei Ihnen gewesen war, sehr lebendig geworden ist.
Es wird auch dies überwunden werden, und für dauernd ist
ja nichts verdorben. Inzwischen war ich zu Ostern auf einen
Tag bei meiner Schwester in Schlabendorf, wo ein ganz netter
kleiner Mann auf meinen Namen Claus getauft wurde.
Ich traf dort auf meinen Bruder Peter, der sich sehr darauf
freut, Sie einmal besuchen zu dürfen. Wenn Sie sich seiner
etwas mit annehmen, so wird das für ihn sehr gut sein.

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Er ist ein frischer guter Mensch und wird für jedes rechte
Wort dankbar sein. Lassen Sie aber bitte nicht zu, daß
er so ein kunstgeschichtliches Gewäsch aufführt, wie es ihm viel-
leicht gerade bei Ihnen naheliegen wird, da er noch keinen
Umgang mit einem gehabt hat, der eine Kunst ausübt.
Es ist sehr hassenswert und verdirbt den Charakter, auf dessen
Festigung durch Stärkung des Pflichtbewußtseins Peter
sein Hauptaugenmerk richten sollte. Sie werden ihn schon
zu nehmen wissen.

Hettner(2) war hier und brachte kleine und nicht sehr deutliche
Photographien von seinem Bogenschützen mit, aus denen aber
doch ein guter Fortgang der Arbeit zu sehen ist. Jetzt hat
er sie mir wieder genommen, doch bekomme ich sie zurück
und werde sie Ihnen dann zur Ansicht schicken. Ich habe

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mich sehr darüber gefreut und finde eine große Summe
künstlerischer Arbeit oder, wenn Sie wollen, Sparsamkeit darin.
Freilich war es ein Machtwort, mit dem er ihn für fertig er-
klärt hat, denn gußreif ist er noch nicht. Er hat ihn aber
im Gyps stehen und jetzt im Salon ausgestellt.

Ihrer Frau unsere herzlichsten Grüße.

Der kleine Hirschfeld(3) war am Sonntag für ein paar Stunden
hier, er sagte, er hätte Sie am Sonnabend aufgesucht, Sie
wären aber verreist gewesen. Nun ist er nach Königsberg
fort. Ich hoffe, bald von Ihnen zu hören. Wenn Sie
an dem Blacke auszusetzen haben, so schreiben Sie mir das
bitte, ehe Sie ihn zurückschicken, damit ich Ihnen dann ant-
worten kann, so lange Sie ihn noch haben.

In herzlicher Freundschaft

Ihr Hermann Schmitt

D.[Dresden] 23.April 1903