Transkription

z. Zt. Rom. 9. 4. 42

Sehr verehrter, lieber Herr Kolbe.

Haben Sie sehr vielen Dank
für Ihre freundlichen Glückwün-
sche zu meinem 60. Geburtstag.
Sie haben mir durch Ihr Gedenken
eine besondere Freude bereitet,
aber ich zerbreche mir den Kopf,
wie Sie hinter dieses streng gehü-
tete Geheimnis gekommen sind!

Ich habe diesen Tag, der keine be-
sonderen psychischen Reaktionen
bei mir ausgelöst hat, denkbar
harmonisch und schön verlebt; ver-

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wöhnt von meiner Frau und
meinen Geschwistern; ein herrlicher
Frühlingstag in Rom; Gründonners-
tagfeier in der Peters-Kirche.

Wir haben auch dieses Jahr
wieder die Freude eines 3 wöchent-
lichen Besuchs in Rom, wobei wir drei
Familienfeste feierten: die Hoch-
zeit meiner Nichte Isa Bergen,
die Geburtstage von meiner Schwester
und von mir. Die Gesundheit mei-
nes Schwagers war befriedigend,
sodaß wenigstens diese Tage
sorgenfrei waren.

Nach dem schlesischen Dauer-
winter waren wir doppelt dankbar
für Wärme und Frühling des

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Südens. Wieder wurde uns bewußt,
unter einem wie günstigen Stern
dieses glückliche Land lebt – sowohl
nach Klima wie nach Temperament.
Der Krieg legt dem Italiener
auch schwere Beschränkungen auf;
aber das Gesamtbild ist doch noch
ein viel Friedensmäßigeres als
bei uns.

Die Sammlungen sind geschlos-
sen, außer den vatikanischen,
aber die Oper entschädigt dafür;
Bajazzi mit Gigli(1) waren unver-
geßlich. Auch die Aida in zweiter
Besetzung sehr schön.

Ende des Monats kehren
wir nach Schlesien zurück.

Mit herzlichen Grüßen von
meiner Frau und mir bin
ich Ihr
stets aufrichtig ergebener

Dirksen

Anmerkungen

  1. Gigli, Beniamino (20.3.1890, Recanati – 30.11.1957, Rom), Opernsänger und Filmschauspieler. Gigli war einer der berühmtesten Tenöre seiner Zeit und galt als Nachfolger von Enrico Caruso. Eine seiner großen Rollen war die des Canio in Leoncavallos "I Pagliacci" (dt. Bajazzo).

    http://d-nb.info/gnd/118694871