Transkription

Rom.
14.IV.1937.

Lieber Herr Kolbe!

Ich muß mit tiefem
Bedauern an diesen Tag denken, an dem ich nicht
persönlich vor Ihnen stehen kann, um Ihnen zu
Ihrem 60. Geburtstag die Hand zu drücken.
Einmal Auge in Auge ist mehr wert als ein
ganzer Brief. Nehmen Sie aber doch in diesen
Zeilen die allerbesten Wünsche, die ich Ihnen
aus herzlicher Dankbarkeit bringen möchte.

Es ist mir eigentlich ganz
unvorstellbar, wie es sein muß, wenn man auf
dieser Höhe des Lebens angelangt ist, wo das
große Ernten beginnt. Jedenfalls muß dort
eine Einsamkeit sein, weil man weiter von den
Menschen entfernt ist, und noch viele, undurch-
sichtige, mühselige Dinge. Solche Dinge ahnt man
ja, wenn man Ihre Werke betrachtet, und auch in
dieser Hinsicht muß ich es bedauern, daß ich Ihre
Ausstellung in der Akademie nicht sehen kann.
Diese heimatliche, künstlerische Atmosphäre kann

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in Rom durch nichts ersetzt werden. Man
steht hier vor vielen Jahrhunderten, aber unser
Jahrhundert spricht eine matte Sprache.

Es ist so befreiend, daß
Sie vor allen Anderen den Weg des Bildhauers
in unserer Zeit wieder vorgezeichnet haben, und
daß Sie damit uns Jüngsten den Weg erleichtern
helfen. Dieses Erbes müssen wir uns würdig
zeigen und den einmal gewonnenen Boden nicht
wieder preisgeben; das ist meine Auffassung.
Darin habe ich das ausgesprochen, was ich heute
und immer fühle.

Ich möchte noch eine Bitte
anschließen; können Sie veranlassen, daß ein
Katalog Ihrer Ausstellung an meine Adresse
nach Rom geschickt wird? So kann ich von ferne
an dem Geschehen in Berlin teilnehmen. Ich wäre
Ihnen sehr dankbar. – Ich bin hier sehr in meinem
Element. Wie prachtvoll wäre es, könnten Sie
14 Tage einmal hierherkommen! Es muß doch
möglich sein! Könnte das Ministerium Ihnen nicht
die langwierigen Bestimmungen abnehmen?
Ich weiß es nicht. – Noch besten Dank für Ihren
Brief und beste Grüße von Ihrem
Scheven.