Transkription

Hierlshagen 12. XII 44

(Berlin-Charlottenburg 9, Sensburger Allee 25, Fernsprecher 99 49 28)

Liebe gute Julia – als Sie hier waren,
wuchsen noch die Pilze – heute ist Kälte
und Eis – wie ist die Zeit dahingerast!
Und in der Werkstatt ist nichts vorwärts-
gekommen – nichts gewachsen – Nun, das
ist aber nicht wichtig. Der Augenarzt sagt
mir, dass ich noch warten solle – je später
die Operation, umso besser. Wichtig allein
ist der Krieg und sein Ende. Sie sind
bestimmt wieder viel gequält worden.
Fast täglich werden Einflüge in Süd-West
gemeldet. Gott beschütze Sie, meine

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liebe Beste! Und auch gesund bleiben
sollen Sie. Ist aus dem Wochenendhäuschen
etwas geworden? Lassen Sie mich doch
das wissen. Die schönste, oder besser, die
beste Ihrer Flaschen, die aus {der} Bourgogne,
lebt noch, sie wird das Weihnachtsfest
verherrlichen. Ich erwarte diese 3 Festtage
gern, denn ich bin so müde. Wochentags
leiste ich mir keine freie Stunde. Aller
Jammer soll in Arbeit ersticken. Es ist
besser, sich zu quälen, als traurig zu sein.
Am 16. gibt's aber einen traurigen Jahrestag,
da wurde mein Heim zerschlagen. Und
am 23. ist ein Jahr verflossen, seit ich hier
sitze. Bleiben Sie vom Terror verschont, und
bleiben Sie mir gut. Von Herzen immer Ihr GK