Transkription

(Prof. Dr. h. c. Georg Kolbe, Berlin-Charlottenburg 9, Sensburger Allee 25, Fernsprecher 99 49 28)

9.VI 43

L. J. Ihren grossen Verlust
vermag ich voll und ganz
nachzufühlen, und Sie sollen den
Schmerz auch nicht bekämpfen,
er ist der süsseste Dank, die tiefste
Abgeltung für die tausend Freuden,
die Sie durch das gute Wesen hatten.

Die roten Rettiche erfreuten
mich in 3 Sendungen. Bei diesem

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nassen kalten Wetter giebt es
hier nichts dergleichen, u. ich werde
dankbar sein, wenn Sie nochmals
davon starten lassen. Aber etwas
dürfen Sie nie wieder tun, beste
Freundin: Marken für mich zu
sparen. Ich werde mir eine festliche
Woche darauf aufbauen und
in Freuden das Gute einverleiben.
Aber bitter bleibt das Bewusstsein,
dass Sie entbehrten, was mir so
unverdient zufiel. Bitte versprechen Sie mir das!

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(Prof. Dr. h. c. Georg Kolbe, Berlin-Charlottenburg 9, Sensburger Allee 25, Fernsprecher 99 49 28)

II

Es war lieb, den Brief in
M. Schrift [Maschinenschrift] zu senden. Lesen
wird mir schwer. Die Operation
ist noch hinausgeschoben, der
Arzt hält das für richtiger – da
ein zu früher Eingriff oft Nach-
operationen mit sich bringe. Ich
habe mich an die Halbblindheit
schon gewöhnt wie einer, dem man

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ein Bein oder so genommen hat.

Was kann ein Mensch nicht
alles entbehren! – Da fällt mir
dabei ein, dass gewisse Ausfälle aber
doch recht nachhaltig sein können:
ich kämpfe um Wein und frage
Sie in aller Eindringlichkeit, ob Sie
nicht durch frühere Beziehungen aus
dem Elternhaus eine Weinfirma
organisieren könnten, die mir einige
Kisten (bitte nicht einzelne Flaschen)
irgendwelchen deutschen leichteren
Tischwein liefern würden? Denken Sie

[Einfügung linker Rand senkrecht]
mal nach. Es wäre Ihnen v. Herzen

[Einfügung oberer Rand]
dankbar, wie immer getreu Ihr GK