Transkription

(Prof. Dr. h. c. Georg Kolbe, Berlin-Charlottenburg 9, Sensburger Allee 25, Fernsprecher 99 49 28)

5.XII 45

Beste Julia – wie gut, dass endlich
Nachricht, und zwar gute, kam, ob-
gleich man um Süddeutschland nicht
viel zu fürchten hatte. Hier gab es durch
die sture verbrecherische Verteidigungsidee
entsetzliche Situationen. Am 26. IV be-
grüsste ich das Eintreffen d. Russen als
Rettung dicht vor dem Untergang. Es folgten
noch 7 Tage lang Kämpfe um m. Wohn-
viertel – das Haus selbst war russ. Schiess-
stand in d. vordersten Kampflinie. Ich

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war völlig zermürbt – als {man} die „Freiheit“,
die Flagge hisste. Noch viel Schaden ist
entstanden. Ich darf mich verarmt
nennen – denn auch das Geld ist hier
weg, u. mit Kunst kann keins ge-
macht werden. Alles i. allem – ich bin
zu alt für solche Situation. Russen u.
Amerikaner sind recht freundlich zu mir,
das tut ganz wohl. Im Essen war ich
immer bedürfnislos – aber das Fehlen jeder
Rauchmöglichkeit fällt mir überschwer.
Mein Hausrat ist samt u. sonders in
Schlesien geblieben! Sei dies für ['s] Erste genug,
liebe Julia – Halten wir weiter tapfer durch.
Von Herzen Ihr Georg K.

[Briefumschlag]

[Absenderaufdruck handschriftlich ergänzt]

Georg Kolbe
(Bln.-Charlottenburg 9, Sensburger Allee 25)
German