Transkription

(Berlin-Charlottenburg 9, Sensburger Allee 25, J 9 Heerstrasse 4928)

5.III 36

Liebe Julia,

mein Stuttgarter Unter-
nehmen neigt sich nun dem
Ende zu. Das Erntefest
müsste zu feiern sein!?
Ich erhielt jedoch nur
Meckereien in Form von
Zeitungsausschnitten. Ein
Herr A. D.(1) fiel mir auf, der
sich erlaubte, meine „Grenzen“
zu beleuchten. Wie mag dieser
dumme Teufel so weit mit
nach vorn gekommen sein?

Höchstwahrscheinlich als
„blinder Passagier“ – Lieber

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wäre mir schon ein
anderer Beobachter gewesen,
sagen wir einer, der sich
mal an einem „Faust“ oder
so versucht hätte.

Nun ja, solche haben
dann keinen „Beckmesser-
mut(2)
“ mehr – sie haben sich
am eigenen Werk die
Knochen gebrochen. –

Wann ich in‘s Ländle
komme, ist heute noch nicht
klar zu sehen. Die Statue(3)
wächst.

Hoffentlich geht es Ihnen
gesundheitlich gut. Mehr
darf man ja wohl nicht
verlangen. Bei mir ist sie
leidlich in Ordnung.

Mit herzlichen Grüssen
Ihr Georg Kolbe

Anmerkungen

  1. Zeitungsartikel eines unbekannten Autors "D." im Stuttgarter N.S. Kurier vom 24.02.1936

  2. Ein Beckmesser bezeichnet einen pedantischen Kritiker, benannt nach dem Nürnberger Meistersinger und Schreiber Sixtus Beckmesser in Richard Wagners Oper Die Meistersinger von Nürnberg von 1867. Der Begriff diente als eine Umschreibung für beflissene und engstirnige Regelgläubigkeit.

  3. Werk Georg Kolbes, ohne weitere Angaben