Inhaltsangabe
Transkription
1. Nov. 14 
Regentenstr. 20
Mein lieber Freund,
vielleicht ist es Dir ein 
kleiner Trost, wenn ich Dir 
heute sagen kann, dass mein 
Feldzug zunächst ein jähes 
Ende erreicht hat. So bist Du 
nun nicht mehr allein. 
Anton Mayer(1), mein erlauchter 
Kolonnenführer, hat den Fuss 
gebrochen, und ich habe ihn 
zurück transportirt. Wir 
rechneten mit einer schnellen 
Heilung, für die aber der Arzt 
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nun zwei Monate angesetzt 
hat – damit bin auch ich 
erledigt. Wahrhaftig sehr 
unangenehm! Es war so 
gut da draussen im Felde. 
Wir haben den prachtvollen 
Vormarsch Hindenburgs ganz 
mitgemacht, waren so dicht 
vor Warschau – dann wurde 
plötzlich die Frontverschiebung 
vorgenommen – das war 
Donnerstag vor 8 Tagen – wir 
hatten von Radom aus täglich 
Munition nach Norden 
geschleppt – man wartete 
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mit Sicherheit auf die Ein-
nahme von Warschau – da 
kamen aber die lieben Bundes-
brüder einfach nicht zur 
festgesetzten Zeit an – es wurden 
Tage verloren, bis die grosse 
Russenmacht sich sammeln 
konnte und nordwestlich 
Warschau die Deutschen Corps 
bedrückte. Also zurück – wenn 
auch ohne Kampf – aber 
zum Weinen traurig – all das 
Besetzte aufzugeben – Wir, 
unsere Kolonne, segelte 
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dann mit dem Oberkommando 
von Radom nach Tetrokow, 
auf dem Wege dahin hatte 
A. M.[Anton Meyer] aus Tölpelhaftigkeit 
den Unfall – das war mein 
Ende – Nun sitze ich tatenlos 
hier, bin furchtbar gesund 
und sehe keine Möglichkeit 
zu weiterer Betätigung – 
Können wir uns einmal 
sehen? Das wäre sehr schön. 
Geht es Deinem Bruder gut? 
Grüsse ihn und Deine Mutter 
herzlichst von uns. Auch Dir, Frau 
Lotti und Justus Alles Beste 
von uns – ganz Dein Georg – 
 
                     
                    