Inhaltsangabe
Transkription
[undatiert]
B-W. Regentenstr. 20
Lieber Freund,
es ist sehr unerfreulich für 
mich, Deinen freundlichen 
Brief mit einer Absage beant-
worten zu müssen. Der Gründe 
gibt es mehrere, und indem 
ich hoffe, in Dir einen ein-
sichtigen Hörer zu finden, will 
ich Dir sagen, was gegen unsere 
Reise ist. 
Einmal bin ich sehr mit 
Lingner(1)’s Büsten(2) beschäftigt, 
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und ich kann und darf 
mich von dieser Arbeit nicht 
trennen, bis sie beendet und 
vom Besteller begutachtet und 
bezahlt sein wird. Eher habe 
ich finanziell überhaupt nichts 
zu wollen, bin unfrei. 
Aber auch wenn ich das 
Honorar für die Büsten haben 
werde, kann ich mich schlecht 
rühren; Du weisst nicht, was 
für grosse Ausgaben unser 
Umzug und die daraus ent-
standenen Folgen nötig machten. 
Aber von den Kosten der Reise 
abgesehen, ist sie mir nicht mehr
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ganz sympathisch, da ich heute 
sicher weiss, dass ich mich über 
die Künstlerbund-Ausstg. nur 
ärgern werde, andererseits 
werden die Stunden unseres 
freundschaftlichen Zusammenseins 
arg beengt durch Nora(3), welche 
weitaus die grösste Aufmerksam-
keit für sich beansprucht uns 
in recht unliebsamer Weise die 
Freiheit kürzen würde. Ich kenne 
das zu genau. 
Wie gesagt, ich hatte mir bei meinem 
früheren Vorschlag nur ein Treffen 
von uns beiden gedacht, ich sehe aber 
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ein, dass dies zu einseitig 
gedacht war. 
Was werdet Ihr Freunde nun 
dazu sagen? Ich muss Euch doch 
wohl nicht erst versichern, wie 
wenig wir uns selbst über unsere 
Absage freuen. Wir möchten 
Euch so gern wiedersehen. 
Obwohl ich nun nicht begreife, 
warum Ihr dieses Jahr Berlin 
meiden wollt, so denke ich mir, 
dass Du Deine guten Gründe haben 
wirst. Aber ich muss betonen, 
dass ein Besuch Eurerseits in 
Berlin wirklich die ausgiebigste 
Lösung zum Wiedersehen wäre. 
Vielleicht wird es doch noch gehen? 
In dieser Hoffnung grüssen wir 
Euch Beide auf[‘s] herzlichste und 
bitten um Antwort 
Immer Dein Kolbe