Inhaltsangabe
Transkription
Berlin-W. 15. Aug 07
Lieber Freund,
Seit 8 Tagen sind wir wieder 
in Berlin, Dein freundlicher Brief 
lag hier auf der Post, weil ich die 
letzten Tage nichts mehr nach-
gesandt bekam, die Post in 
Warnemünde hat es verbummelt. 
Dort sind wir überhaupt nach einigen 
Tagen wieder geflohen; es ist ein 
höchst unangenehmer Betrieb 
da, obwohl der Strand für ein 
Ostseebad sehr passabel genannt 
werden kann. In Travemünde 
ist es recht sauber, und man kann 
angenehm wohnen und sich 
rühren, doch die See ist nur für 
kleine Kinder, welche denn auch 
in Mengen während der Ferien 
dahin verpflanzt werden, während 
sich die Herren Eltern verduften.
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Wir waren 3–4 Wochen dort, 
worauf ich mir nicht wenig einbilde – 
dann aber plötzlich ging es nicht 
mehr – wie Du weisst, hatten wir 
die glückliche Idee, nach Kopen-
hagen zu gehen, wo wir eine Woche 
geblieben sind und uns durchweg 
freuen konnten. Kennst Du die 
Stadt und Umgebung? 
Nichts Grandioses, aber sehr 
lustig und harmonisch – 
Nora(1) hat alle Anstrengungen 
mit uns geteilt, und so 
bildeten wir eine feste Dreieinigkeit. 
Zuletzt waren wir dann in Hamburg 
und dann Bremen, auch Hannover, 
Städte, die wir alle nicht kannten 
und uns doch, wenigstens die 
beiden ersteren, recht kennenswert 
erschienen. Hamburg ist ja 
teilweise wundervoll.
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Schliesslich mussten wir zu 
grosser Kosten wegen den Rückzug 
antreten - doch lockte uns auch 
unser schönes Heim, und 
wir zogen gesund und braun 
hier ein. Wie töricht, sich solange 
allen Unbequemlichkeiten 
(in erster Linie Hôtels) auszusetzen, 
wenn man ein menschenfreund-
liches Haus hat. 
Der Plan der Sommerreise xxx lautete 
allerdings 3 Monate – aber 
in Travemünde wären wir 
schliesslich krank geworden – 
Mit Mühe und Not habe ich dort 
ein Porträt meiner Frau zusammen-
gepinselt. Mit anderen ging es 
absolut daneben – 
Deinen guten Brief kann ich Dir 
nicht beantworten, pardon. Du stellst 
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ja auch keine Fragen. Ich danke 
Dir aber sehr, es ist doch nicht vergebens, 
das[s] Du mir von Dir schreibst. 
Als Antwort und oder Gegenbrief, 
und der soll Dir nur wiederum 
meine Freundschaft bezeugen, 
sende ich Dir die beiliegenden Copien. 
Ich rüste mich jetzt zu neuer Arbeit, 
es liegt mir manches in den Gliedern, 
was ich zu meinem Heil heraus-
zubringen hoffe. Schliesslich muss 
man ja immer hellsehender 
werden. Hast Du die letzte Kunst xxx u. Künstler(2) gesehen? die Hofer(3) und 
Haller(4)? Gut u. interessant, aber der 
M. Gräfe [Meier-Graefe(5)] ist doch ein ungezogener 
Mensch. Wenn aus diesen Jungen 
etwas werden soll, oder besser, wenn 
ihnen Gefahr droht, so ist es wiederum 
die Kritik, die sie verkörpert. Ich werde 
mich sehr bemühen, nicht mehr nach links 
und rechts zu schauen. Deiner Frau, dem 
Sohn und Dir recht herzliche Grüsse 
von uns. Nora wächst jetzt viel – 
Stets Dein Kolbe