Inhaltsangabe
Transkription
Florenz am 31. Dez. 05
18 via Senese
[Villa Romana von anderer Hand zugefügt]
Lieber Freund!
Du bist meinem Brief, der schon
seit mehreren Tagen der Absendung
wartet, mit Deinem freundlichen Schreiben
zuvorgekommen.
Habe recht vielen Dank.
Wir sind jetzt seit vierzehn Tagen
hier, selten aber haben wir uns so
schwer eingelebt wie hier; noch heute
ist uns das Gefühl des Hotellebens
nicht genommen. Schließlich war
das früher immer so, als man noch
kein eigenes Heim hatte; aber nun,
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wo ich weiß, wie man zu Hause
sein kann, ist mir diese Pensions-
geschichte recht fremd geworden. Trotzdem
sind viele Annehmlichkeiten dabei.
Die Villa Romana liegt direkt
sehr gut; die Umgebung finde ich
sehr schön, das Haus selbst ist recht groß,
so daß es nicht am Platze fehlt.
Aber die ganze Einrichtung ist noch
recht mangelhaft, man kann sich
nicht heimisch fühlen, mag nicht im
Zimmer sitzen und läuft endlos
in die Stadt. An die Arbeit will
keiner. Wir haben alle das Gefühl,
daß wir erst im Frühling hätten
kommen sollen. Das ist doch ein
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unangenehmes Gefühl! Und wie
gern wäre ich in Berlin geblieben.
Der gute Klinger(1) meint Alles so gut
und hat doch keine Ahnung von
der Leistung[?] anderer Menschen.
Man sieht hier wohl, was für Mühe
er sich um die Villa gegeben hat;
es war viel zu viel Arbeit für einen
einzelnen Menschen; aber Himmel,
so etwas soll man eben nicht
übereilen. Und niemand hat ihn
doch getrieben.
Die ganze Einrichtung ist fabelhaft
geschmacklos. Das ist trübselig, dies
sagen zu müssen. Hätte er nur einen
Menschen um Rat gefragt, so wäre
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Alles erträglich geworden.
Noch vieles ist jetzt nicht fertig, Anstreicher,
Maurer etc. werden noch wochenlang
zu thun haben. Lieferanten klingeln
beständig, und da die Bewohner meist
nicht italienisch sprechen, wird mir
viel aufgeschoben. Das ärgste Los
hat aber Tuch(2), der in den Rechnungen
herumwühlt und den ganzen Mist
nicht mehr bewältigen kann.
Klinger hat ihm eine Unmenge
zurückgelassen, und jeder wendet
sich an ihn. Du mußt Dir auch
vorstellen, daß die Hausverwaltung
bei so verschiedener Besatzung
äußerst schwierig ist. Die verschiedenen
Bedienten wollen alle angestellt sein.
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Am besten wird hier der Magen
versorgt. Koch und Küche funktionieren
direkt gut. Der gemeinsame Treff
ist recht angenehm und überdies
die einzige Lösung der Freßfrage –
Im Hause sind Hübner(3), Maler Kurzweil(4)
mit franz. Frau, Tuch(2) und wir drei.
Alles geht sehr nett und formlos
zu. Eine italienische Tafel kann
ja recht angenehm sein, wie Du weißt.
Streit wird es noch geben.
Als nächster Gast wird R. Pietzsch(5) aus München erwartet; zuletzt
ist dann noch v. d. Velde(6), der zusagte. Heine(7) kommt nicht, auch Erler(8) nicht.
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Das alles ist mir gleichgültig.
Ich bin traurig, daß mein Winter
verfehlt ist; und wie ahnte ich das
vorher. Wieviel vorwärts konnte
ich kommen, wenn sich die
meine Arbeiten auf der nächsten
Ausstellung in Qualität ver-
doppelt hätten.
Einfluß wird es hier nicht schlimmer
Art geben; aber die Zeit ist ver-
dorben. –
Gesundheitlich geht es uns recht gut.
Nora(9) sieht besonders gut aus, und
das wird sich bald steigern, wenn sie
den Garten besser ausnutzen kann.
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Hettner(10) wohnt sehr gut, die Xx Räume
sind sehr anspruchsvoll, wie das
nur im italienischen Haus sein
kann. Die Lage ist auch ganz
angenehm, aber im Frühling wird
die enge Via Romana doch
sehr mangelhaft. Unsere Verbindung
mit Hettner ist beschwerlich,
die Frauen haben mit den Kindern
voll zu thun und können höchst
selten durch diesen italienischen
Straßenrummel laufen.
Jedenfalls fühlt es Hettner schon,
daß er nichtviel von unserem Hiersein
haben wird. Sobald ich arbeite, gehe ich
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dann auch nicht mehr in die Stadt.
Heute abend kommen Hettners
übrigens zu uns zur gemeinsamen
Tafel. Ihr kleiner Roland ist ein
sehr gesunder lieber Kerl. Das ist Glück.
Von Euch und Eurem Kind hörten
wir durch Dich ja das Beste, und wir
freuen uns mit Euch.
Wird Deine Versetzung einen längeren
Urlaub mit sich bringen?
Besten Dank auch für Deine Empfehlung
an Hr. Prof. Sten###; den Brief
sandte ich noch nicht ab und werde später
Stellung dazu nehmen. – Lasse bald
wieder etwas hören, lieber Freund.
Grüße Deine Mutter, Deine Frau und Dein
Kind von uns.
Immer Dein Georg Kolbe.
Tuch empfiehlt sich Euch bestens.