Inhaltsangabe
Transkription
Mittwoch 6. / XII 05
Lieber Freund!
Dies wird, denke ich, der letzte berliner 
Brief sein. Die Kunstgeschichte(1) sandte 
ich mit vielem Dank zurück, 
wie ich ebenso dankbar Deinen 
letzten Brief empfing.
Es geht hier Alles gut, wir beginnen 
zu packen und die letzten Not-
wendigkeiten zu regeln; sind 
also auch mit den Sinnen schon 
meist unterwegs und in Florenz. 
Mitte nächster Woche wollen wir 
reisen. Tuch(2) schreibt mir Ange-
nehmes aus der Villa Romana. 
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Und ginge ich als Privatmann 
oder ganz junger Student, wirklich, 
es könnte kein schönerer Ort 
auf mich warten. Und so wird es 
auch für Frau u. Kind sein! Deshalb 
bin ich sehr froh. Aber mit dem 
Arbeitsdrang und der Arbeitsfreude 
sieht es bei mir jetzt so dünn und 
trüb aus, dass mir eben dadurch 
doch der Hauptteil fehlt. Und ganz 
gewiß gelangte ich in diesem 
Zustand durch die endlosen offenen 
Fragen und Ungewissheiten, und 
der halbe Winter ist dahin. – 
Atelier und Wohnung haben wir 
vermietet, um uns einen 
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neuen Wohnsitz nach der Rück-
kehr gründen zu können – aus-
bleiben werden wir, solange die 
Sache Freude bringt; und sich eben 
auch darnach richten, ob die Ab Arbeit 
in’s Fließen kommt. 
Ein Mäcen ist noch nicht da; Kl.[Klinger(3)] – 
der liebe gute Mensch will einstweilen 
immer aus seiner Tasche zahlen 
(was ich Dich zu verschweigen bitte), 
natürlich werde ich das nur kurze Zeit 
annehmen. Xxx Lingner(4) inter-
essiert sich nicht für den Plan; er 
korrespondiert mit mir über Musiker-
büsten, war auch hier und wird zum 
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Schlusse noch mal etwas bestellen, hoffe 
ich. Aber ich glaube niemals, daß es er Stipendien für Florenz 
spendet. – 
Die von mir bei C.[Cassirer(5)] ausgestellten 
Arbeiten sind klein, zwei direkt 
winzig, und ich verlange von den Herren 
der Kritik wirklich nichts. Sie haben auch 
nichts gethan. Tschudi(6) wollte ein 
Figürchen, Liebermann(7) ein anderes, 
ein Leipziger Comm. den Kopf meiner 
Frau, aber sollte etwas geschehen, so 
kann das nur im letzteren Falle 
sein. Ich lege die Photos bei; die letzten 
Tropfen, die ich hier auspreßte! 
Leb wohl mit Deiner Frau und Deinem 
Kind, mögt Ihr alle recht vorwärts schreiten. 
Nora, Benny und Georg Kolbe
Deiner Mutter unsere besten Empfehlungen