Transkription

Lieber Freund!

Habe recht vielen Dank für Deine
Freundschaft zu mir, die Dich zu der
Zurechtweisung Heilbut(1)’s ver-
anlaßte. Der Mann ist ein übler
Schlingel, und ich meine, daß
Du die Angelegenheit jetzt liegen
lassen mußt; Deine Ahnung ist
ganz richtig, ohne großen Ärger
werden wir nicht wegkommen
und den Mann nur noch mehr
gegen mich eingenommen sehen.
Aber ich halte es so doch für gut, daß

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er sich wenigstens kontrolliert
sieht und in Zukunft vorsichtiger
A ausdrücken wird. Deshalb bin
ich Dir recht dankbar. Freilich Freilich
ist es auch gut, daß er jetzt den
Eindruck eines Vermögenden von
mir hat, Thatsache bleibt doch,
daß ich des Geldes wegen nach
Fl.[Florenz] gehen würde. Aber schließlich mag
er denken, was er will.

Ich halte, wie ich sagte, die Angelegen-
heit für erledigt.

Tuch(2) ist hier, läßt Dich und Deine
Frau bestens grüßen; seine Ausstellung

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ist heute eröffnet.

Klinger(3) sandte mir gestern eine
Anweisung auf 1200 M.

Von irgend einer anderen Sicherheit
spricht er nicht; er vermeidet sehr,
Bestimmtheiten zu schreiben.

Spricht von 1-2 Betten, 2 Zimmern
für uns etc. Alles das ist mir
unerfreulich, und ich muß nun
doch dahin gehen. Ich thue es nur
mit dem Gefühl eines ganz ab-
hängigen Menschen, der verschickt
wird. Und eklig ist mir, daß meine
Freunde mich beglückwünschen.

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Tuch bekam 900 M. zu gleicher Zeit,
das ist unerhört, jemand nun
damit zu zwingen, seine Wege
zu verlassen.

Vor Mitte Dez. werden wir jedoch
nicht fortgehen; sollte weiter kein
Geld folgen, so wird das Ganze
eine mehrmonatl. Reise nach
Italien.

Sei mit Deiner Frau u. dem
Kind von uns Allerbestens
gegrüßt.

Dein Kolbe –

[Beilage 3: Der betreffende Zeitungsartikel aus dem „Lokalanzeiger“ von Emil Heilbut]

„... Dann ist ein geradezu alarmierender Fall der des Bildhauers Kolbe. Dieser war bereits als der Stipendiat irgend einer Stiftung in Italien. Während er aber zwischen den Antiken weilte, ahmte er wie ein Fanatiker Rodin nach. Einen Beweis für sein Sklaventum gegenüber diesem Künstler hatte man letztes Jahr auf der Ausstellung des Künstlerbundes. Dort führte er den alten Sebastian Bach vor: er sah aus als, wäre er der moderne Balzac von Rodin geworden...“

[Beilage 1: Briefentwurf von Herman Schmitt zur Verteidigung Kolbes an Emil Heilbut]

Sehr geehrter Herr Professor,

den Artikel über die Villa Romana, den Sie im Lokalanzeiger veröffentlichten, habe ich
mit Interesse gelesen. Obwohl ich xxxxxxxx in einigen Punkten mit Ihrer xxxxxxxxxxxx Beurteilung des Unternehmens nicht übereinstimme,
möchte ich doch mir erlauben, Ihre Aufmerksamkeit noch einmal auf einen der xxx
xxxxxxxxxxxx Stipendiaten hinzulenken, weil aus Ihren Ausführungen hervorgeht, daß
Sie über diesen falsch unterrichtet worden sind. Von dem Bildhauer Kolbe nehmen Sie an,
daß er sich in Florenz, „nicht xxxxxxx williger als das erste Mal der Einwirkung
der Antiken oder der Renaissance hingeben“, wird, mehr... „wie mancher Gymnasial-
schüler sein werde, dem die griechischen Dichter für sein Leben verleidet worden sind,
weil sie seine Schulxxxaufgaben bildeten. Xxx Er werde desto verbissener
zum „Rodin(4)sklaventum“ kommen. Das Sachliche dieses Urteils stützen Sie – außer
auf Ihr persönliches Worturteil über die Kolbeschen Arbeiten auf die Angaben, 1) daß Kolbe bereits
als der Stipendiat irgend einer Stiftung in Italien war,

2. daß er, während er zwischen den Antiken weilte, wie ein Fanatiker Rodin nach-
geahmt habe,

3. daß er die neuexx Sendung nach Italien annehmen werde, weil er nicht die
pekuniäre Sicherheit habe, um sie zurückzuweisen.
Sie befinden sich jedoch in allen diesen drei Punkten im Irrtum. Xxxxxxx
Da ich seit mehreren Jahren der Entwicklung dieses Künstlers mit Interesse folge

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und mich über seine Studienganz genau informiert habe, kann ich Ihnen mit voller
Bestimmtheit folgendes mitteilen:

1) Kolbe war nicht als Stipendiat irgendeiner Stiftung in Rom, sondern hat nach Beendigung seiner Studien in
Deutschland den größten Teil eines kleinen vererbten Kapitals aufgewendet,
um xxx nach Rom zu gehen, wohin er sich gezogen fühlte.

2) Kolbe kam nach Rom als Maler, er ist überhaupt dort erst zum Bildhauer ge-
worden. Xxxxxx Dies geschah nicht unter Rodins Einfluß, sondern unter dem xxxxx
persönlichen Einfluß von Tuaillon(5), mit dem er in Rom verkehrte, eine Thatsache,
die an vor seinen Anfängerarbeiten, die Sie wohl kaum kennen, sehr deutlich zu
sehen
ist. Aber auch ein entfernterer Einfluß Rodins auf diese in Rom unternommenen XXXXXXXXXXXXXXXXXX
Bildhauerversuche war ganz unmöglich, weil Kolbe damals
eine Rodinsche Skulptur – xxx überhaupt noch nicht – weder im Original noch im Abguß
gesehen hatte. Ich weiß dies, xxx weil ich es xxx zum meinem Erstaunen im Frühjahr 1901 von Kolbe xxxxxxx
selbst hörte, als ich ihn in Rom kennen lernte, wohin ich voll frischer Bewunderung für Rodins Plastik xxx aus Paris xxxx
xxxxxxxx gekommen war.

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3) Ich weiß zwar nicht, ob Kolbe nach Florenz geht; daß er aber nicht aus peku-
niären Gründen annehmen muß, weiß ich ganz bestimmt. Überhaupt scheint mir das
Angebot von freier Wohnung mit Atelier in Florenz für ein Jahr, Dinge, die man dort
gut und gern für 700 M haben kann, keine große pekuniäre Verlockung für einen Mann,
der Familie hat und schon für den Umzug hin und zurück kaum weniger anwenden muß,
als das Stipendium wert sein mag. Pekuniäre Rücksichten müßten hier viel eher gegen
als für die Annahme sprechen. Mir scheint der eigentliche Wert der Stiftung des Künst-
lerbundes anders wo zu liegen.

Sie werden aus meinem Brief entnehmen, daß mein Urteil über Kolbe von Ihrem abweicht.
Es liegt mir fern, Ihr Urteil über irgend einen Künstler kritisieren zu wollen, doch hoffe
ich, sehr geehrter Herr Professor, Sie überzeugt zu haben, daß die 3 von mir ange-
führten thatsächlichen Angaben Ihres Zeitungsartikels Irrtümer über den künstlerischen
Entwicklungsgang Kolbes enthalten, die ein falsches Bild auf eine wesentliche Epoche
seiner Entwicklung werfen und daher der Berichtigung bedürfen.

H.S.

[Beilage 2: Antwortbrief von Emil Heilbut, 10. 11. 05]

W. 10 Nov 05
Kurfürstenstrasse 128

Sehr geehrter Herr Doktor,

ich hatte über Kolbe gehört, daß
es ihm schlecht ginge, was seine
wirtschaftlichen Verhältnisse betrifft,
und daß er nur ungern sich nach
Italien schicken lassen würde. Ihre
Darstellung berichtigt diese Angaben;
ich würde sie nicht gemacht haben, wenn
ich Ihre Darstellung gekannt hätte.
Was den jetzigen Zustand Kolbes
in künstlerischer Hinsicht betrifft, so

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ist wohl nun nicht mehr zweifelhaft,
daß er Rodins Wegen folgt; auf
wie lange, das muss seine spätere
Entwicklung zeigen.

Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr sehr ergebener
E. Heilbut