Inhaltsangabe
Transkription
Lieber Freund!
Das ist wirklich sehr erfreulich, daß Du nun
sobald einmal länger hier sein wirst.
Wenn der Charakter unserer früheren Besuche
auch verloren gegangen ist, weil Du
eben nicht nur zu uns allein kommst.
Das kann nichts ändern, daß wir hoffen,
Dich doch nun auch wieder genügend für
uns zu haben. Wir verstehen aber nicht,
daß Deine Frau nicht auch einmal hier
sein wird. Daß die Trennung vom Kind
schwer ist, begreifen wir wohl, aber Du stelltest
uns Euer beider Besuch doch so sehr in
Aussicht. Das Fortbleiben Deiner Frau wäre
wirklich sehr bedauerlich und wir hoffen nur,
daß sich die Zweifel zum Schluß noch lösen werden.
Eurem Kind geht es doch wohl gut, und es
wäre ja in Schlabendorf bestens aufgehoben.
Als Wohnung für Dich halte ich das Hotel Bismarck
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auf der Hardenbergstr. Charlottenburg
für geeignet. Es liegt am Endbahnhof
der Untergrundbahn und ist das einzige
Hotel des Bahnhofes Zoologischer Garten.
Freilich wohnte ich nie dort, aber die Reklamen
sprechen von einem sehr großen Hotel mit
Zimmern in allen Preisen. Wenn Du
das nicht willst, so würde ich Dir ein Privat-
zimmer vos vorschlagen; ein solches ist
immer zu finden.
Hattest Du auf Deinen letzten Brief eine
Antwort erwartet? Ich wußte wirklich keine
Worte zu finden, besonders zu Deinen
Äußerungen über Tuch(1). Nur Du kennst
meine Ansichten über ihn, wir sprachen oft
davon, und ich fand Deinen Angriff sehr
scharf. Warum Du ihn nicht ebenso gegen
mich oder Hettner(2) gerichtet hast, ist mir
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unklar. Kannst Du von einem so bescheidenen
Mann wie Tuch(1) mehr verlangen als eine
gute Malerei? Und die liefert er doch.
Nennen wir seine Richtung ein höheres
Handwerk, so ist sie doch doch sehr daseinsberechtigt. H Solche Malerei ist doch wenigstens
nicht xxx sensationssüchtig. Als
Einziges habe ich nur sein {Tuchs} verführerische
Pinselführung zu tadeln. Im Ganzen stelle
ich seine Arbeiten doch über die Hettner(2)s.
Wenn Tuch(1) nicht in der geschickten Technik
ertrinkt, wird er ein sehr guter Maler wie
etwa Trübner(3) werden. Und schließlich, er nimmt
die ganze Verantwortung auf sich, wenn er
klagt, so war das berechtigt, weil es ihm
wirklich oft unverdient schlecht ging. Sein
Bild fand hier allgemein, und zwar, wo ich
Zeuge war, bei sehr vernünftigen Leuten
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Anklang, daran kann ich allerdings
noch nicht so große Hoffnungen knüpfen,
weil auch Sujet viel mitspricht.
Aber sicher ist Hettner(2)s Erfolg, den er doch auch
hatte, nicht von so gutem Klang. Du wirst
begreifen, daß man auf ein paar Posaunen
hören will. Worin Du Du [sic] Dich aber sicher
täuschst, das ist in dem Glauben, daß Du
den Silberschmied oder Malermeister
Deiner jetzigen Thätigkeit vorziehen würdest.
Ich verachte auch nicht einen Menschen, der
Stiefel putzt, weil er das thut, putze sogar
seit langer Zeit täglich selbst meine Stiefel,
aber trotzdem reicht mir das Handwerk nicht
aus, wie auch Dir, oder Tuch etc. In dem
Sinn, wie Du es meinst (wenn ich mich
nicht irre), sind wir schon ausschließlich Handwerker,
denn ich speziell habe die schmutzigste Lehrjungen-
arbeit täglich zu verrichten. Auch Tuch wird sich nicht
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zu gut zum Handwerker fühlen, und wenn
Du glaubst, daß er sich für einen nach
feinem Künstlertum strebenden Menschen
hält, so irrst Du auch, er weiß genau,
wo es bei ihm aufhört, aber das, was er
glaubt, nicht bewältigen zu können, erstrebt
er mit hochzuachtendem Fleiß.
Der Malermeister aber hat im Hinterhaus
zu wohnen, muß in der Innung sein
und wird nie einem aufgeklärten
Menschen begegnen. Glaub mir, es is ist
wirklich angenehmer, den studirten Mann
zu machen, selbst wenn man man
alle Erbärmlichkeit hinter den Coulissen
sieht. – Von mir will ich heute überhaupt
nicht reden; ich bin durch die Ausstellung
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auch mein Teil bekannter geworden,
und was ich noch erreichen muß, sehe
ich wieder deutlich durch das Ausgestellte.
Irgend welcher Frieden ist nicht in mich
eingezogen. Es betrübt mich aber sehr,
daß das allgemeine Interesse für
Plastik so gering ist; jede Pinselkleckerei
schlägt ernste Skulptur in in den
Augen des nicht ganz gebildeten Betrachters.
Das stehende Bronzeweib(4) hat der hiesige
Kunstverein für 1000 M. gekauft,
wovon mir leider nur 600 gehören.
10% und 300 M. Gußkosten gehen ab.
Und wie oft ist mir zu dem Verkauf
gratuliert worden. – Du hörtest vielleicht
auch, daß Tuch(1) und ich nach Florenz gehen sollen.
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Klinger will einen Mann haben, der
Unterstützung in Aussicht gestellt hat.
Ich verlangte 5000 M. für ein Jahr.
Das lange Ausbleiben einer entscheidenden
Antwort verdirbt mir die Tage, da ich nicht
weiß, wo ich den Okt.[Oktober] sein werde.
Lieber bleibe ich hier, doch ist auch für meine
Frau u. Nora(5) die Abwechslung gut.
Nun leb‘ wohl, grüße Deine Frau und das
Söhnchen herzlichst von uns.
Hoffentlich hören wir bald, daß wir Euch Beide
hier sehen werden.
Immer Dein Georg Kolbe.