Inhaltsangabe
Transkription
Berlin am 16./VI 04
Lieber Freund,
wie geht es Euch? Ihr müßt doch schon 
lange wieder in Dresden sein, und 
wir wundern uns sehr, daß wir nichts 
mehr von Euch hörten. Warum ist 
nun nichts aus unserem Treffen geworden? 
Habt Ihr unsere Karte nach Florenz 
nicht erhalten? Wir warteten immer 
auf Nachricht und bedauern ganz 
außerordentlich, daß Ihr nicht nach hier 
gekommen seid. Hoffentlich seid 
Ihr beide gesund. Wie oft sprach ich 
mit Benny(1) von Euch, daß es so schön 
wäre, wenn Ihr kämet. 
Ich bin jetzt allein, B. u. N. [Benny und Nora] sind gestern 
früh nach Holland zu den Eltern gereist, 
und ich befinde mich deswegen garnicht 
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wohl. Es ist verdammt öde in 
der verlassenen Wohnung. Ich muß 
fleißig arbeiten, habe eine große 
Figur bis Ende des Monates fertig 
zustellen, weil ich das Atelier wechseln 
will, und vorher muß die Arbeit 
geformt werden. Dann hoffe ich, einige 
Tage zu Weib und Kind gehen zu 
können. Es wäre ganz vortrefflich, 
wenn ich Dich inzwischen einmal 
sehen könnte. Ist es Dir garnicht 
möglich, einmal Sonnabends 
hierher zu kommen? Kannst bei 
mir schlafen, Sonntag abend gehst 
Du wieder weg? Ich würde selbst 
gern nach Dresden kommen, aber 
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offengestanden muß ich auf das 
Geld sehen, und auch die Arbeit läßt 
mich nicht fort. Wärst Du hier, so 
würde ich Dir natürlich auch alle Zeit 
widmen, aber eine Reise wirkt 
noch einige Tage vor und nach. 
Käme ich dann aus Dresden 
zurück in dieses vereinsamte Haus, 
so würde das so schlecht auf mich wirken, 
ich kenne das und will es vermeiden. 
Grüße Deine Frau recht herzlich von 
mir, vielleicht kommt auch sie mit, 
obwohl ich da wenig Hoffnung habe. 
Ich bin immer Dein
treuer Kolbe.
(Auch meine Figur hätte ich Dir gern gezeigt, bevor sie 
geformt wird.)