Inhaltsangabe
Transkription
Leipzig am 8./II 1904
Lieber Freund!
morgen werde ich als Drucksache 
zwei Aufnahmen an Euch senden,
die Büste meiner Frau und den „Bach(1)“. 
Erstere ist für Deine Frau und letztere 
für Dich. – Durch Tuch(2) hörte ich eben, daß 
sich Seemann(3) doch noch zur Anständigkeit 
aufgerafft hat; es wäre auch zu schäbig 
gewesen. Aber Seemann(3) selbst war 
damals verreist, und so mag es 
gekommen sein. 
Hast Du schon an die Béarn(4) geschrieben? 
Es wäre wirklich noch die einzige Rettung 
gerade von ihr zu erwarten. 
Alle anderen Versuche, die ich jetzt anstellte, 
Unterstützung zu erlangen oder etwas 
zu verkaufen, sind gescheitert. 
Harrach(5) hat mir noch nicht einmal 
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auf das Heft geantwortet, welches er 
seit 14 Tagen besitzt; auch meinen 
langen Brief vor Weihnacht beachtete er 
nicht. Ebenso vergebens war mein 
Versuch, mit Mühlberg(6) in Dresden 
anzuknüpfen. Du weißt, daß er 
junge Maler unterstützte und auch 
jetzt noch es mit Lührig(7) thut. Er ist 
ein sehr freidenkender, freigiebiger Mann, 
und ich dachte es mir so einfach, daß 
er mich unterstützen könnte, zumal 
mir sein bester Freund Sascha Schneider(8) 
behülflich war. Ich stellte den Antrag, 
für 2 – 3 Jahre zu 2000 Mark zu 
erhalten, wofür ich mich contraktlich 
mit jährlichen Arbeiten abfinden 
würde. Gewiß war das nicht viel Geld, 
aber die kleine Sicherheit 3 Jahre lang 
hätte mich schon ziemlich frei gemacht. 
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Wie gesagt, es scheiterte.
Nach Bildern ist öfter Nachfrage gewesen, 
aber kein Kauf kam zustande, 
sodaß ich meine Pläne recht deutlich 
versinken sehe. Schon 3 Monate spreche ich 
ja schon vom Fortgehen; überall deute 
ich meine Absichten an, klopfe und 
hämmere, aber aus keinem Menschen 
klingt etwas zurück. 
Also die Comtesse ist die letzte Hoffnung! 
Bis auf ihr diesen Bescheid aus Paris 
will ich nicht verzagen. Und natürlich 
noch der Verkauf der Büste in Dresden 
könnte mir wohlthun. Wenn du 
noch nicht bei Treu(9) warst, kannst Du 
ihm die Abbildung mitnehmen. 
Übrigens hörte ich, dass er am 21/II hier 
einen Vortrag halten will; ob er da nicht 
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einmal zu mir kommen würde? 
Wenigstens könntest Du ihm sagen, daß 
die Büste meiner Frau im Kunstverein 
ausgestellt ist; er würde sie dann gerade 
noch sehen. 
Sie ist wirklich gut, und die Dresdener 
Sammlung brauchte sich ihrer nicht zu 
schämen. Solltest hören, was Klinger(10) 
zu der Arbeit sagt – 
Lebewohl, lieber Freund; grüße Deine 
Frau herzlichst von uns. 
Immer Dein Kolbe –