Inhaltsangabe
Transkription
Leipzig am 20./1. 1904.
Lieber Freund!
Von Seemann(1) kam gestern früh 
ein erstes Heft unserer Veröffentlichung. 
Die allgemeine Ausgabe muß heute 
oder morgen wohl erfolgen, und Du wirst 
dann auch Hefte bekommen; sonst 
wende Dich unverzüglich an Gustav Kirstein 
in Firma Seemann(1). Die Leute sind 
in unserer Schuld. 
Die Publikation ist recht anständig, 
die Reproduktionen sind bis auf den „Sommer-
tag(2)“ recht gut, nur ein fremder Holzschnitt 
auf der ersten Seite stört etwas. 
Nun, den kann man ja entfernen, 
wenn man das Heft irgend wem 
zeigen will. 
Die Druckschrift ließ mich diesmal Deinen 
Aufsatz recht ruhig genießen, und ich 
muß Dir nochmals sagen, daß ich mich
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an Deiner Arbeit sehr freue und 
Dir für Deinen Beistand von Herzen 
dankbar bin. Siehst Du, das Ganze macht 
doch einen guten Eindruck. 
Welch ein Unterschied, ob es ein 
Schwätzer geschrieben hätte oder ob Du es 
thatest. Für das weite Publikum ist 
so etwas überhaupt nicht; das sieht darüber 
hinweg, wie es auch geschrieben sei. 
Aber weißt Du, für die Näherstehenden 
und Bekannnten ist diese Fassung 
doch die wirksamste. 
Wenn mir die Veröffentlichung nicht 
Geld einbringt, so doch sicher Achtung. 
Hoffentlich bereust Du es nicht er jetzt 
schon, mir Dein Wort geliehen zu haben. 
Bitte halte nun das Heft auch noch jedem 
unter die Nase. Ich meinerseits werde 
es an Versendung nicht fehlen lassen.
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Vom „Bach(3)“ kann ich Dir vielleicht 
gelegentlich noch eine andere Ansicht 
schicken und zwar Profil, welches 
doch sehr nötig ist, gesehen zu werden. 
Dein letzter Brief hat mir viel Freude 
gemacht und besonders für Deine Be-
mühungen um Tuch(4) bin ich Dir dankbar.
Du hast nichts erreicht, aber es thut ihm doch 
wohl. Der arme Kerl war aber bei 
uns; ich weiß nicht, was noch daraus 
werden soll. Seemann(1) zahlt wirklich 
nichts, wenn Du nichts ausgemacht hast.
Mich ärgert so infam, daß es Tuch, da er arm 
und unbekannt ist, so schlecht geht, dass ihm 
nichts gelingen will, wo es doch einem 
Hettner(5) so leicht gemacht wird. Hier wird 
bald der Beweis geliefert sein; wenn er bei 
Richter(6) ausstellen wird. Niemand wird 
ihm da etwas in den Weg legen und 
am wenigsten Holst(7) selbst. 
[Einfügung oberer Rand]
Hast Du Gelegenheit, Treu(8) einmal meine 
Büste zur Concurrenz anzumelden? Das könnte wohl 
nützlich sein. Seidlitz(9) hat den Faust(10) natürlich nicht. 
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Wie anspruchsvoll und wenig entgegen-
kommend werden seine Arbeiten sein. 
Ich denke daran, daß Tuch könnte zur großen 
Dresdner Ausstellung etwas senden. 
Er läuft Gefahr, die Sache zurückzubekommen. 
Hettner aber wird eingeladen von 
dem hohen Herrn Treu. Warum thut 
man das mit mir nicht? Ich bin doch sogar 
prämiert? Muss man dem erlauchten 
Gerichtshof der Dresdner Kunst immer 
vorher die Füße küssen und Photos einsenden? 
Donnerwetter, ich bin sehr ärgerlich über 
solches Benehmen; es ist nicht genug, daß 
man {sehr} langsam vorrückt, sondern 
man muß auch ewig fühlen, daß man 
keinen Namen hat. Ich bin dieser h Ärgernisse sehr überdrüssig und hoffe nur 
auf spätere Rache diesen Kunsthändler- und 
Kunstgelehrten-Sippschaften. – Doch sei nicht bös, 
lieber Freund, daß ich schimpfe; Du kannst 
ja nichts dafür, daß es so ist. 
Grüße Deine Frau herzlichst von uns. Nora trägt 
oft das Kleidchen und sieht ganz prächtig darin aus. 
Nimm nochmals meine Hand zum Dank, 
lieber Freund, und sei auch Du von uns gegrüßt. 
Immer Dein Kolbe.
[Beilage: Kurt Tuch an Hermann Schmitt]
22.12.03.
Lieber Schmitt, wegen des 
Buches Hiob vom Blake(11) habe ich 
mich erkundigt. Kolbes schen-
ken es sich nicht zu Weihnacht. 
Es wäre demnach hoch willkommen, 
es käme ein Exemplar von 
Ihnen. Sie bereiten damit eine 
große Freude.
Im Gespräch erwähnte ich neulich 
die Pariser Comtesse, von der wir 
sprachen, da warf sich Kolbe sehr 
vor, daß er seiner Zeit so gleich-
gültig und dickköfpig gewesen 
sei und sagte, daß es ja eine 
Leichtigkeit gewesen wäre, von 
da zu erhalten, was er so sehnlich 
wünscht und so nötig braucht. 
Gebt mir freie Hand.
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Denken Sie doch noch einmal 
genau nach. Es wäre schön, wenn 
Sie bei Gelegenheit der Über-
sendung Ihrer Veröffentlich-
ung über Kolbe einen aus-
führlichen, recht klar und gut 
geschriebenen Brief mitschick-
ten. Thun Sie doch bitte Ihr 
Mögliches, deutsch etwas recht 
überzeugendes aufzusetzen, 
was die Folge haben kann, 
daß die Frau es als Mission 
empfindet, hier mit ihren 
Mitteln zu helfen. Das müß-
te dann ein ganz perfecter 
Franzose in recht gutes Fran-
zösisch übersetzen, so daß die 
Comtesse vollkommen genau 
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weiß, um was es sich handelt. 
Da Sie durch Ihren Aufsatz sich 
mit Kolbe sehr befaßt haben, 
wird das gewiß gut und leicht 
gelingen. Nachdem, was ich 
gehört hab, scheint die Frau 
doch sehr begeisterungsfähig 
zu sein. Ich bitte Sie dringend, 
doch diese Möglichkeit nicht unver-
sucht zu lassen. Sie erscheint 
mir noch das verhältnismäßig 
Aussichtsvollste zu sein. Hier 
steht es mit seinen Zukunfts-
plänen recht schlecht. Mehreres, 
wovon er noch etwas hoffte, ist 
ins Wasser gefallen.
Von Ihrem Aufsatz scheint Kolbe 
sehr erbaut zu sein. Er findet 
ihn ausgezeichnet. Ich selbst 
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bin neugierig drauf. Bekam 
gestern schon wieder ein neues 
Buch über Greiner(12); vom Lehrer, 
doch dieselbe Sache wie die beiden 
anderen von Vogel(13) und Gutmann(14). 
Lassen Sie doch bald etwas hören, 
oder kommen Sie selber? 
Viele Grüße für Sie und 
Ihre Frau 
Ihr K. Tuch. 
74 Dresdnerstraße, 
Leipzig - Reudnitz.