Inhaltsangabe
Transkription
Florenz, am 25. I 06
18 via Senese
Lieber Freund!
Dieser Brief soll Dir meine
Bachbüste(1) anmelden; wirklich
der große Marmorkolloß –
Du erschrickst? –
Die Sache ist sehr verwirrt, und
ich will versuchen, sie Dir zu
erklären. Entschuldige, wenn
sie etwas ungeschickt vor-
getragen wird. –
Lingner(2) in Dresden frug
den Nov. 05 plötzlich nach der
Büste, er werde sie eventuell
kaufen. Dann war sie ihm
zu groß und auch zu teuer für
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den gedachten Zweck, woraufhin
ich sie ihm statt für 3000
für 2000 anbot und er sie
schon nicht mehr so groß fand.
Im Dez. kam er selbst nach
Berlin, ich konnte ihm den
Bach jedoch nicht zeigen, da er
von der Künstlerbund-Aus-
stellung nach Hamburg
in das Kunstgewerbehaus
geschickt wurde und dort bis
heute noch dort zu sehen ist.
Lingner fuhr unentschlossen
ab, schrieb mir jedoch am Tage
meiner Abreise nach hier,
daß er die Büste für Weihnacht
haben wolle, ich solle sie sofort
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schicken; ich konnte ihm aber
bisher von hier aus nur ant-
worten, daß die Büste mir selbst
noch nicht zur Verfügung stände.
Hier muß ich, falls Du die Sache
nicht kennst, einschieben, daß
ich damals mit dem Leipziger
Ausschuß für St. Louis einen
Vertrag schloß, daß die Büste
während der Dauer der St. Louis-
Ausstellung und nach Schluß
derselben abgehend 1 Jahr
darauf vom Ausschuß zu
verkaufen sei, von welcher
Verkaufssumme ich die 2000
Mark Anzahlung vor Beginn
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der Arbeit abzugeben hätte.
Nach Ablauf dieses Jahres ,nach {vom} Schluß
der Ausstellung an
gerechnet, hat bei Nachverkauf
die Stadt Leipzig das Recht,
2 Monate lang die Büste
für weitere 2000 1000 M.
endgültig zu erwerben.
Wenn sie keinen Gebrauch
davon mache, gehöre also die
Büste nach Ablauf von 14
Monaten ab Schluß der
Ausstellung wieder mir.
Der Vertrag ist absolut klar.
Jetzt war es mein Fehler, daß
ich den Schluß der St. Louis-
Ausstellung nicht wußte –
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II
Ich nahm kurz an, daß die Aus-
stellung etwa Mitte Nov. 04 hätte {wäre} geschlossen worden und
schreibe Lingner, ich könne
erst Anfang des neuen Jahres
06 über das Ding verfügen.
Im Jan. schreibt er plötzlich, ich
müsse doch nun Besitzer sein,
und falls ich die Büste sofort ab-
senden könne, wolle er sie
haben. Daraufhin telegraphiere
ich an den Ausschuß in Leipzig
wegen des Termins unseres
Vertrages und erfahre, daß dieser
am 31. Jan. ablaufe.
Gut, dachte ich, wenn die Büste
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ab ersten Januar Februar
als Eilgut ab Hamburg nach
Dresden ginge, würde das noch
genügend schnell zu Lingner
kommen. Schrieb ihm, daß
die Verpackung nicht so schnell
gehe etc. und Anfang Febr.
habe er die Büste. Er antwortete
nicht und ich weiß, daß er
zufrieden ist.
Aber nun kommt die un-
angenehme Wendung –
Um die Büste vom Händler
sofort in Hamburg frei zu
bekommen, bitte ich die
Leute in Leipzig um Ordre
nach Hamburg, daß die
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Arbeit kontraktlich ab 1. Febr.
mir gehöre und nach meinen
Angaben versandt werden solle.
Darauf schreibt mir Dr. Graul(3),
dieser hervorragende Nachwächter,
die Büste könne ich erst Ende
Febr. bekommen, da tatsächlich
vom Reichskommissar am
29. Dez. 04 eine telegr.[telegrafische] Bestätig-
ung vom Nichtverkauf der
Büste eingetroffen sei –
Nun bin ich sehr wütend, weil mir
der Kauf durch Lingner zum
Teufel gehen kann.
In der That geht mich das Telegr.
nichts an, sondern der Tag
des Ausstellungschlusses.
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Das war gestern, als der Brief
kam; ich ging sofort zum
amerikanischen Consul, um
das verdammte Datum zu
erfahren, dort war geschlossen, ebenso
auch die Consulate. Cook wußte
nicht, amerikanische Speditionen
wußten nicht etc. Nur ein
Italiener behauptete, daß er
Anfang Dez. Waren aus der
Ausstellung zurückgezogen
habe, der Schluß müsse allerspätestens
im Nov. stattgefunden haben. Das Weil es mir nun an Zeit
fehlte, schrieb ich sofort an Graul,
verlangte meine Büste, indem
ich Nov. als Schluß d. A.[der Ausstellung] ansah.
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III
Gewissermaßen bestätigte mir
das ja auch das erste Telegr.
aus Leipzig, wo mir als
Ende des Vertrages d. 31. Jan 06
angegeben wird.
An Holbe, den Händler in
Hamburg, schrieb ich ebenso,
er solle die Büste trotz der
Zurückhaltung durch Leipzig
(das haben die neulich statt des
verlangten Gegenteils xxx gethan)
sofort am 1. Febr. nach Dresden
schicken. Ich gab ihm Deine
Adresse schon früher an, weil das
Eilgut auf meine Rechnung
gesetzt wird und ich ebenso
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Lingner nicht noch nennen
wollte, weil die Leute in Leipzig
sofort an Schwindel gedacht
hätten, indem ich das schon
längst mit L. verabredet
haben könnte. Verstehst Du?
Dem Hamburger habe ich
gedroht, daß ich ihn für die Folgen
der Verspätung verantwortlich
machen müsse, falls er meine
Ordres nicht beachte –
Nun, lieber Freund, was sagst
Du zu dem Gewirr?
Zunächst, kannst Du mir
nun nachträglich das Datum
des Schlusses verschaffen?
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Hier sind die Leute alle so
unzuverlässig –
Und wenn ich Recht habe, und
das kann nicht anders sein –
darf ich dann den Mann in
Hamburg zwingen und ihm drohen?
Vielleicht löst sich Alles noch,
indem [?] die Leipziger auf andere [?]
sichere [?] Sprache ###.
Dann würde es so kommen,
wie ich Anfang des Briefes
sagte, die Bachbüste würde
Dir Anfang Febr. von der
Bahnspedition gemeldet werden,
und Du würdest die Güte haben,
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das Ding gleich an Lingner,
Leibnizstr., zu dirigieren,
absichtlich will er keinen
Titel auf der Adresse haben –
Wenn aber die Sache schief abläuft,
dann werde ich mich sehr ärgern
und möchte mein Recht
von den Leipziger Museum’s
Eseln nicht ungestraft treten
lassen. Nun frage ich Dich
um Rat. –
Heute will ich nichts hinzufügen.
Geht es den Deinen und Dir
gut? Viele herzliche Grüße an
Euch. Unser Dasein hier ist
teils recht nett, teils zweifelhaft.
Bald mehr. Gesundheit sehr gut.
Nochmals sei gegrüßt immer Dein
treuer Kolbe.