Inhaltsangabe
Transkription
Lieber Schmitt!
Wirklich, ich muss Ihnen nun mal berichten,
wie es hier steht. Bisher konnte ich Ihnen
von nichts als von langweiligen
Geschichten schreiben. Heute ist es freilich
nicht viel besser, aber doch ein wenig.
Das Wort Ausstellung, welches mich
nicht mehr verläßt, mich immer
belästigt, hat ist für mich der Inbegriff
des Elends. Denken Sie, was Sie können,
Sie werden mir die Abscheu vor
allem Sichanbieten, Zurschaustellen etc.
nicht nehmen. Es ist unendlich
beleidigend, etwas aus Notwendig-
keit Geschaffenes, groß oder klein,
dummen Menschen anzubieten
in der stillen Hoffnung, daß es
zum Schluß doch noch mit Geld belohnt
wird.
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Vor etwa 4 Wochen kamen meine
ausstellbaren Arbeiten im Kunstverein
an. Bis heute bin ich aber einfach noch
nicht benachrichtigt worden. Verschiedene Leute,
Klinger(1) an der Spitze, waren vorher
bei mir, und es geschah alles mögliche,
was Sie mir in Ihrem letzten
Briefe anrieten; man zeigte
Interesse, sogar unerwartet viel;
Klinger wanderte ### in das
Museum zu den beiden großen
Wächtern der Kunst, Schreiber und Vogel(2) –
diese bemühten sich sogar heraus
zu mir, und alles sah glänzend
aus, aber es waren ja nur
Worte, jetzt, nach 4 Wochen, hatte
man mich ganz wieder vergessen,
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man wußte nicht einmal, ob
meine Ausstellung stattfinden
soll oder nicht. Kurz, es un ist
unbeschreiblich, welche Nußknacker
hier an der Spitze stehen und wie groß
ihre Macht ist : = Meine letzte
große Figur, welche Sie in der
Anlage sehen, ist fertig, und ich bot
sie der Stadt als Geschenk an, mit
dem Beding, daß sie öffentlich auf-
gestellt würde (Stadtanlagen) und
daß die Kosten des Bronzegusses
getragen werden müßten.
Weil die Figur nackt ist, hat der
Rat die Annahme vollkommen
zurückgewiesen. Geld ist genug da,
denn es sind 30000 M. zur
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bildhauerischen Ausschmückung der
Stadt da; jedes folgende Jahr dann
giebt es 15000 M. Man hatte jetzt
eine sogenannte Brunnen-
koncurrenz veranstaltet (ich war
auch beteiligt), die ist ganz ins
Wasser gefallen. Wie war das
auch anders möglich, wenn der
Rat selbst, unter dem keine
menschlich fühlende Brust ist, die
Jury bildete? Hier habe ich bereits
alle Hoffnung verloren.
Gestern ging ich nun in’s Museum
(vielleicht zum 10. Male wegen der
Ausstellung) und stellte mich
so lange hin, bis mir eine etwas
Bestimmtere Antwort wurde;
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II
heute habe ich wieder dort gestanden,
und es ist nun so weit, daß morgen
die Bilder (freilich nicht sehr günstig)
aufgehängt werden. Wann die
Skulpturen an die Reihe kommen,
das liegt noch im unbekannten
Lande. Vielleicht doch gleich? Wer
weiß!
Greiner(3)s lang ersehntes Bild ist
im gleichen Saale mit vielen
Studien ausgestellt und bereits
angekauft für’s Museum.
Auch der römische Volkmann(4) hat
seine Sachen da und mir den
ganzen freien Platz verbaut;
es ist ganz abscheulich!
Kommen Sie nun einmal mit
Ihrer Frau zu uns nach Leipzig?
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Daß ich Ihnen so lange nicht schrieb,
hat zwei Gründe. Erstes wartete ich
auf die Photographien, von denen ich
Ihnen einige zuschicken wollte, zweitens
war Hirschfeld(5) öfter bei mir in der
Werkstatt, und da er oft von Ihrem
Leipziger Besuch sprach und ich meine
Wünsche nicht verschwieg, so nahm ich
an, dass er Sie in Briefen schon wissen
lassen würde, was nötig wäre.
Er reist ja doch wohl nächstens ab
und hoffte, Sie noch vorher hier zu sehen.
Wir sind auch umgezogen (Königstrasse
12 Connewitz), und da mußte ich
vieles versorgen; sodaß meine
freien Stunden mit manchem
Ärger gefüllt waren.
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Um mich zu schonen, ließ ich auch
den Photograph außer Acht, und der
entpuppt sich als ein ganz nachlässiger
Kunde. Es eilt ja auch mit den
Bildern nicht. In Berlin wird es
dieses Jahr wohl nichts, da ich in
Dresden ausstellen will (aber nur
Skulptur). Keller, der Kunsthändler,
war am selben Tage nochmals
bei mir, als die Sendung nach dem
Kunstverein abging. Hoffentlich
findet sich mir ein günstiger Monat
im kommenden Herbst.
Einen kleinen, aber angenehmen
Erfolg meiner Arbeiten hatte ich
übrigens doch schon; Klinger und Hirzel(6)
sandten mir je 500 Mark. Von
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Klinger freilich soll ich schweigen.
Lieber Schmitt, kommen Sie nun
recht bald zu uns mit Ihrer Frau,
nichtwahr? Ich hoffe, daß Krankheit
nicht hindernd in den Weg tritt.
Wir müssen wieder einmal
zusammen reden und uns sehen.
Mit Victor Hehn(7) haben Sie mir eine
große Freude bereitet, das ist wirklich
ein gutes Buch. Es ist ohne Schwätzerei
rein sachlich geschrieben und hat doch
das nötige Maß von Liebe zum
Vorwurf. Wie vorzüglich sind die
Dichterlinge neben Goethe beleuchtet! D Das Buch, oder vielmehr die
Anschauung Hehn’s über einen
großen Mann erinnert mich an
Justi(8). Welcher Unterschied ist dann
zwischen den beiden und Thode(9)!
Doch leben Sie wohl, lieber Freund, kommen
[Einfügung linker Rand senkrecht]
Sie bald. Wir grüßen Sie und Ihre Frau herzlichst + wollen Sie bei uns sehen.
Immer Ihr Kolbe.