Transkription

(Prof. Dr. h. c. Georg Kolbe, Berlin-Charlottenburg 9, Sensburger Allee 25, Fernruf: 99 49 28)

4. V 1946

Mein lieber guter
Freund, haben Sie recht herzlichen Dank
für Ihre beiden Berichte und das freundliche
Gedenken meines Geburtstages. Kurz ehe ich
den zweiten erhielt, begegnete ich dem Vater
Ihrer Frau u. erfuhr bereits vom Fiasco der Reise.
Eigentlich hatte ich den Ausgang kaum anders
erwartet. Wir Menschen dieses werdenden
demokratischen Staatsgebildes sind eben
getrennt u. werden [es] bleiben auf lange hinaus.
Ja, wir werden sogar vier verschiedene Wege
geführt. Vielleicht lebt man sich überhaupt

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mit der Zeit auseinander? Das wolle Gott
verhüten. Ich sitze hier so ziemlich allein
wie früher u. kann nicht viel überschauen.
Aber das merke ich, dass alle gegen alle sind,
bewusst oder unbewusst. Zeit u. nochmals
Zeit muss vergehen, ehe sich die Flut wieder
an besonderen Örtern sammelt – dann
werden wir auch erfahren, wer aus der Asche

steigt. – Das Ausstellen ist schon hier ein Witz
u. zwar ein recht schwieriger, garnichts einbringen-
der. Ausserhalb wäre es ein toller Wahn.

Ich habe jetzt Maurer u. Zimmerer hier,
aber so wie früher wird's nimmer. Wären
wenigstens die Freunde beieinander!

Über das Unzulängliche mag man nicht gern
schreiben – das lässt sich nur sagen.

[Einfügung linker Rand]

Ich grüsse die ganze Familie herzlich
u. drücke Ihnen die Hand Ihr GK