Transkription

(Berlin-Charlottenburg 9, Sensburger Allee 25, Fernsprecher 99 49 28)

9.I 46

Mein lieber
Freund, auf Ihren Brief habe ich
am längsten gewartet – nun endlich
bin ich im Bilde. Es war so lieb, mir aus-
führlich zu berichten. Ich beglückwünsche
Sie u. Ihre Lieben zur Heimkehr – und das
Jüngste zum Eintritt ins Dasein. Möchte
eine freundlichere Epoche für unser Leben
damit beginnen. – Verzeihen Sie mein
kleines knapp bemessenes Gekritzel – die
Augen wollen nicht mehr. – Es ist mir eine
grosse Genugtuung, lieber Freund, dass Sie

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wieder in Deutschland sind, aber ach so
weit weg von mir. Werde ich es je erleben,
dass Sie noch einmal in Berlin Ihr Heim
aufschlagen? Wie herzlich hatte ich mir das
gewünscht. – Bei der Flucht aus Schlesien
musste ich alle dort entstandenen Arbeiten u.
Material, meine Bibliothek u. alle wichtigen
Möbel, d. dorth. evacuiert waren, lassen. Alle
m. Zeichnungen, darunter zahlreiche Blätter nach
Ihnen, waren hier i. Museumsverwahrung u.
sind nun weg. Es ist reichlich kahl um mich.

Im Atelier geht es einigermaassen – im
Sommer soll es besser werde[n]. – Nun für heute
alle lieben und besten Wünsche von Ihrem
alten getreuen Georg Kolbe.