Inhaltsangabe
Zu Kolbes Arbeit in Rom und seinem Kontakt zu Otto Greiner. Zu einem Treffen mit Fürstin Oettingen-Wallerstein und Gräfin Zichy.
Transkription
Rom am 7./12. 98.
Bester Graf!
Weil es mir sehr gut geht, möchte ich
gern mit Ihnen sprechen. Ich wünschte,
Sie wären mit hier in Rom, es ist
ja so sehr schön, viel schöner als München
und eben so vorteilhaft (materiell).
Wenn ich mit Greiner(1) zusammen bin,
sprechen wir immer von Ihnen. Wir möchten
gern wissen, was Sie thun. In Paris kann
es Ihnen doch unmöglich lange gefallen.
Ich habe ungeheure Lust zur Arbeit
und sehe auch, daß möglichst etwas Gutes zu
Stande kommt. Die letzte Zeit hatte habe
ich jeden Tag Modell, ich mache Studien
zu einem Bild; welches nach allen Kräften
gearbeitet werden soll. Greiners Zeichnungen
wirken wie Eiswasser, und das brauche ich.
Ich höre auch viel von Klinger(2) durch ihn, und da
kann ich lernen.
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Die Tage sind mir zu kurz. Habe ich 8 Stunden
des angestrengtesten Zeichnens hinter mir,
so ist immer noch nichts fertig.
Wo soll ich Zeit zum Modellieren hernehmen?
Gut ist es, daß ich so ganz allein leben kann.
Vor 5 Uhr nachm. gehe ich gar nicht aus dem
Atelier.
Die Modelle sind auch recht fein. Der Eine besonders
kennt alle Deutschen, die je hier waren, weiß
Stauffer(3)s ganze Lebensgeschichte und kennt Klinger
durch und durch. Das gefällt mir.
Die Decke in der Sixtina habe ich gesehen.
Diese Götter von Michelangelo(4) haben mächtig
auf mich eingewirkt. Der Genuß war unver-
gleichlich. Den Moses habe ich noch nicht ange-
sehen. Ich liebe den Michelangelo bis zur
Ungerechtigkeit. Rafael(5) [Raffael] freut mich nur
in wenigen Stücken.
Ich brauche eben einen Jupiter.
Greiner geht jetzt für einen Monat nach
Deutschland (München u. Leipzig), und dann
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wird er ein großes Bild beginnen, Sie
werden schon davon wissen. Die Studien sind
alle mit unglaublichem Fleiße gearbeitet.
Zeichnerisch wird das Bild gewiß vorzüglich werden.
Von Greiner könnte ich jetzt wohl schön
Anweisung im Stechen u. Steinzeichnen
haben, doch muß ich gestehen, daß ich dies jetzt
nicht bewältigen könnte. Auch liegt es mir
doch er etwas fern.
Mit der Steinzeichnung glaube ich, den Eindruck
meiner Kompositionen nicht wiedergeben
zu können, und die Radierung, der Stich,
ist teils für mein mangelhaftes Zeichnen
zu schwer, teils könnte er mich kleinlich
machen.
Von ganzem Herzen wünschte ich, jetzt meine
Gedanken auf große Leinwänden zu bringen,
um mir einen einfachen großen Stil zu
schaffen. Da mir dies so viele Freude macht,
so wären die Schwierigkeiten auch nicht all-
zu groß. Mit aller Energie würde ich Studien
vorher sammeln. Doch wie schwer ist es aber
dann, persönlich zu bleiben und nicht nur
gut Modelle hinzusetzen, wie es doch mehr oder
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weniger Greiner thut.
Die großen Bilder würden aber zum Schlusse
nur ein Privatvergnügen sein, da es
keinem Menschen einfallen kann, etwas
zu kaufen, was, wenn es auch gut wäre,
nirgends hinpaßt als in eine Sammlung
als Unikum.
Deshalb werde ich meine kleinen Zeichnungen
auch nicht verlassen, und diese freuen mich
auch; nur allein darin finde ich nicht genügend
Befriedigung.
Als ich am Tage nach Ihrer Abreise von München
Frau Fürstin Oettingen(6) kennen lernte, habe
ich recht viel Freude gehabt. Ich wurde wirklich
mit großer Liebe aufgenommen; und solches
nenne ich einen Glanzpunkt in meinem
Leben. Könnte ich nur diese ausgezeichnete Frau
noch lange interessieren. Auch Frau Gräfin Zichy(7)
ist so fein mit mir gewesen.
Obwohl ich schon selbst brieflich um Entschuldigung
bat wegen der großen Verzögerung der geliehenen
Zeichnungen (denn diese Menschen in Dresden sind
unglaublich verbummelt), bitte ich Sie doch, für
mich gelegentlich zu sprechen. Es ist mir sehr unan-
genehm. Auch Ihr Bild wird noch in Berlin erst
ankommen. Bitte, erfreuen Sie mich recht bald,
mit einem frohen Worte.
Ihr Gg Kolbe.