Transkription

27.VIII 45

Frau Annemarie
Ritter
3 [Postleitgebiet] Rostock
Neue Wallstr. 3

[Absender] Prof. Georg Kolbe
Berlin Charlbg 9
Sensburgerallee 25

Liebe beste Frau Ritter,

wie wohltuend war doch
Ihr langer Bericht. Nur
4 Tage ist er gereist. Sie
bezeugen mir wieder so
viel Freundschaft. Das ist
so gut, besonders bei all
der Schwere der Zeit. Hier
ist es doch sehr viel anders
als früher – auch im Hause
selbst – ungemütlich und

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entsagungsvoll laufen die Tage. Ich habe ja
so ziemlich alle Möbel verloren, aber auf mein
armes altes Bettchen, welches ich mir als junger
Mann gekauft hatte, steht noch da u. tröstet mich
jeden Abend. Es bietet mit tatsächlich die einzige
reine Freude. Ich bin sehr herunter mit Körper
und Seele, arbeite immer, aber sehr sehr langsam.
Die Augen schaffen es kaum noch. Aber ich bekomme
Schwerarbeiterzulage – fein – was? Schrecklich
leide ich geradezu unter dem Cigarrettenmangel.
Ein hoffnungsloser Fall. Es fand sich noch kein
musischer Mensch, der solche gegen Kleinbronze
getauscht hätte. Nur die Berliner Fräuleins werden
vom fremden Schatz bedacht. Ein Jahr später wird
hoffentlich so Manches besser sein. Ich grüsse Sie
von Herzen in alter Freundschaft.
Ihr GK