Transkription
(Prof. Dr. h. c. Georg Kolbe, Berlin-Charlottenburg 9, Sensburger Allee 25, Fernruf: 99 49 28)
12.VIII 45
Liebe verehrte Frau Ritter, wie dankbar
bin ich, dass günstige Nachricht von Ihnen
kam (v. 9.VII) – sie brauchte gerade einen
Monat! Inzwischen wird Ihr Wiederauf-
bau auch weiter vorgeschritten sein. Wir
haben seit 8 Tagen Stadtbriefbestellung.
Wie Sie sich denken können ist’s hier
nicht zum totlachen. Aus dem Schlam-
massel bin ich gesund und gut abge-
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magert herausgekommen. Unsere
Häuser lagen in d. vordersten Kampf-
linie, auf der Russenseite – acht Tage
lang. Ausser einigen Granaten i. das
Nebenhaus, das meine Tochter(1) bewohnt, ist nichts
wesentliches passiert – dies aber genügt.
Persönlich kam ich gut m. d. R.[mit den Russen] durch –
habe auch nichts verloren ausser Kleinig-
keiten. Das Aufwärmen ist noch nicht
beendet – trotzdem arbeite ich mühselig,
habe ein paar Glasscheiben bekommen.
Mit dem schlechten Essen finde ich mich gut
ab, d. h. es muss eben gehen – habe Schwerarbeiter -
karten. Am meisten vermisse ich Cigarretten.