Transkription

(Prof. Dr. h. c. Georg Kolbe, Berlin-Charlottenburg 9, Sensburger Allee 25, Fernruf: 99 49 28)

23.V 42

Liebe verehrte Frau Ritter,

aus Frankft. zurückkehrend
fand ich Ihre beiden doch recht
traurigen Briefe vom 12. u. 20.V.
vor, und ebenso eine Nahrungs-
sendung, die mich unter diesen
Umständen wahrhaft erschüttert
hat. Ich finde keine Worte
für all das. Wirklich, Sie sollen
in diesen harten Zeiten nicht
an mich denken!

Nun haben wir blühenden Mai
und das Pfingstfest. Alles
müsste Freude hervorrufen – je-
doch, diese stellt sich nicht ein,
und kann sich nicht einstellen.

Seite 2

In Frankf. Kunstkreisen
hörte ich ganz schlimme

Dinge über die Vernichtungen in
L. u. R. [Lübeck und Rostock]. Aber das menschliche
Leid ist doch wohl das grössere.
Ich weiss nicht, ob ich Ihnen
schrieb, dass ich meinen besten
jungen Bildhauerfreund(1) i. Russland
verlor – Ich schreibe eben an einem
Nachruf u. bin mehr als traurig.

Lennarts Schilderung hat
mich sehr gerührt – falls das keine
Kopie ist, schicke ich sie zurück.

Noch um eine Nachsicht bei
Briefen muss ich bitten: ärztlich ist
bei mir Starerkrankung festgestellt.
Alles Lesen macht mir Mühe u.
so bitte ich um grosse, deutliche
Schrift.

Innigen Dank, liebe Frau Ritter,
für Alles, was Sie mir Guts taten.
Wie immer Ihr Georg Kolbe

[Einfügung li. Rand]

Frl. E.(2) betreut mich bestens
und grüsst Sie nochmals.

Georg Kolbe.

Anmerkungen

  1. Scheven, Günter von (17.4.1908, Krefeld – 21.3.1942, Karpowka, gefallen), Bildhauer

    http://d-nb.info/gnd/118607391
  2. Irmgard Engelke, Haushälterin von Georg Kolbe bis Ende 1943