Transkription

Berlin-Grunewald, Franzensbader Str. 2
14.4.37

Sehr verehrter Herr Kolbe,

zum sechzigsten Geburtstag will ich
wenigstens brieflich herzliche Gratulationen aussprechen, da es mir
verwehrt ist, es öffentlich als Schriftsteller zu tun.

Alle Freunde einer von Grund auf guten, aus natürlichem
Talent erwachsenen, dann aber streng und klug erzogenen
Kunst werden heute dankbar und bewundernd Ihrer ge-
denken. Beim Schreiben steht mir Ihr Lebenswerk vor Augen,
das getragen ist, und darum auch belebt wird, vom Kunst-
gefühl einer Elite. An Ihrer Kunst hat sich nicht selten die
deutsche Plastik, hat sich manches Mal auch die Kritik orien-
tiert und korrigiert. Oft haben Werke von Ihnen wie
Professoren [von Georg Kolbe rot unterstrichen] gewirkt und stumm zu einer unsichtbaren Schüler-
schar geredet. Sie werden weiterreden von dem wahr-
haft Guten in der Kunst, von dem, was stets da war und
immer wieder da sein wird, welches Horoskop der Kunst auch
immer gestellt werden mag.

Möge der „Genius(1)“, wie Sie ihn dargestellt haben, immer
an Ihrer Seite bleiben!

Mit allen guten Wünschen
Ihr Karl Scheffler

Anmerkungen

  1. Werk Georg Kolbes, "Genius für das Opernhaus in Berlin", 1928