Transkription

am 26 April. Leipzig

Mein lieber Schmitt,

das Schweigen ist mir unangenehm, und das weiß ich, daß ich nicht
zu Ihnen zu reden habe, sondern nur zu kommen. Glauben Sie
mir, wie gerne wäre ich schon bei Ihnen gewesen. Ich that aber ein
stilles Gelübde, mich nicht vom Platze zu rühren und besonders keinen
Pfennig auszugeben, bevor ich nicht etwas eingenommen habe.
Ich g verbrauche nur immer, aber nicht das Geringste kommt hinzu.
Seit Sie fort von hier sind, warte ich vergebens auf die endgültige
Übergabe des plastischen Auftrages. Ich sandte Skizzen und eine Beschreibung
ein, aber die Antwort blieb aus, und ich fürchte das Schlimmste.

Ich rechnete schon mit dem Verdienst, und nun würde mich sein Ausbleiben
doppelt bloßstellen. Manche Stunden bin ich sogar ganz triste in
meiner sonst so großen Fröhlichkeit. – Natürlich ist nun nicht gesagt,
daß ich garnicht nach Dresden käme, wenn sich‘s die die Harrach(1)s anders
überlegt haben. Aber Sie verstehen, daß ich jetzt noch warten muß. In Waldheim
war ich auch noch nicht. – Seit Sie uns besuchten, war noch kein
Mensch wieder in unserem Hause, ja, wir haben uns einer großen
Ruhe und Einsamkeit zu erfreuen. Höre ich bald etwas von Ihnen?

Meine besten Grüße den Ihren und Ihnen, lieber Freund,

meine Frau schließt sich mir an.

Georg Kolbe

Anmerkungen

  1. Harrach, Ferdinand Graf von (27.2.1832, Rosnochau – 13.2.1915, Berlin), Landschafts-, Historien- und Porträtmaler; Vater von Hans Albrecht Graf von Harrach, Bildhauer (11.2.1873, Florenz – 22.10.1963, Hohenried)

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