Transkription

1. Okt 26

Lieber Kolbe,

endlich bin ich, nach manchen unbefriedigenden
Versuchen anderer, durch meine Frau, die ihren
kleinen Apparat auf das Objekt in Bewegung
setzte, zu einer netten und wie ich meine auch
glücklichen Aufnahme Deines Denkmals(1) ge-
langt. Dies gibt mir sozusagen die Berechtigung
an Dich zu schreiben, da ich mir’s nun ein-
mal vorgenommen hatte, Dir ein Bild Deines
Werks zu verschaffen.

Hoffentlich genügt Dir die Photo von beiden
Seiten. Von vorn ist eine Aufnahme sehr un-
günstig, da die dumme Platte das langweilige

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Haus hinter dem Denkmal, das Du so gut
vernichtet hast, wieder hervortreten läßt als ob
es neben dem Monument etwas zu sagen
hätte. Höchstens müßte man einen Men-
schen mit großer Camera engagieren, der dem
Relief allein zu Leibe geht. Doch denke ich, daß
die kleinen Aufnahmen eine Vergrößerung
aushalten.

Deinen schönen Brief, der mir das Denkmal
als mein Werk zuerteilen möchte, will ich in
soweit – da Du es sagst – annehmen, als ich
wohl weiß, daß Menschen sich einander
Anregungen und Bestärkungen geben können.
Aber was hülfe das und was hätte es in diesem
Falle geholfen, wenn ein „Unfähiger im

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Ausdruck“ der andere gewesen wäre? Und das
ist wirklich das Wunderbare: was Du in dem
Kopf(2) zum Ausdruck gebracht hast. Dazu
benötigte ich schon ein verdammt gutes Gedicht;
und mit so ungeformten Dingen wie es Anre-
gungen, Ideen, Bekräftigungen u. dergl. sind,
hat das Form gewordene Werk rein nichts mehr
zu tun.

Aber wir können uns beruhigen! – Der Bürger-
meister, die “Kommission“ hat das Denkmal
gemacht! So reden die davon. Weder Du noch
ich spielen da noch eine Rolle. Das ist ihr Denk-
mal! Von Kolbe sprechen sie etwa so, wie wenn
sie einem erzählen, bei wem sie ihre Stiefel ar-
beiten lassen. Aber es kommen viele Freu[n]de,

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um Dein Werk zu sehen, und wir, meine Frau
und ich und meine Freunde gehen oft hin und
wir wissen längst, daß es Stand hält und jedes
Mal schöner wird.

Leb wohl, lieber Freund.

Ich grüße Dich in wahrhaftiger Verbundenheit
als Dein
Binding

Gib mir doch die Wohnungsadresse Deiner
Frau an. Ich möchte ihr etwas schicken, was
vielleicht Freude macht.

Anmerkungen

  1. Werk Georg Kolbes, "Denkmal zum Gedächtnis des Großen Krieges", 1925

  2. Detail des Denkmals, Kopf eines Sodaten, Bronzerelief