Transkription

Rittergut Langen
den 4. 7. 34.

Lieber Kolbe,

Meine Frau und ich denken
oft mit grosser Herzlichkeit
an Sie. – Ich hatte öfters
vor, Ihnen von meiner Reise
ein paar Grüsse zu senden,
aber plötzlich war ich wieder
in Berlin, und mein Brief
an Sie blieb nur im {inneren} Sinn
geschrieben. – Ida hatte
bei Ihnen angerufen und
mir erzählt, dass Sie den
Auftrag erhalten haben, was
mich sehr erfreut hat. Sie er-
zählte aber auch, daß Sie sich
oft quälen. Wenn ich etwas ver-
stehen

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kann, so ist es dies. Es ist
eine Zeit, in welcher wir Künstler
uns nur durch eine Ummauerung
aufrecht erhalten können.
Zu viel Kraft geht auf die
Selbstverteidigung verloren,
denn die Stabilität der geistigen
Anschauungen ist eine erste
Voraussetzung zur Produktivi-
tät. – Ich weiss nicht, wie es Ihnen
bei Auseinandersetzungen geht?
Ich bin bei starken Auswirkungen
um mich herum im ersten
Augenblick fast schutzlos,
um so radikaler rechne ich
dann aber dann ab. Im Wechsel
der äusseren Lebenssituation
immer wieder zu sich selbst

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II)

zurückzufinden, bringt uns
schwere Stunden, ist aber anderer-
seits für die persönliche Ausge-
prägtheit unseres Wesens von
grosser Bedeutung. – Zeiten mit
geistiger Stabilität bieten dem
Künstler eine reiche Auswirk-
ung, die heutige geistige Primi-
tivität zwingt uns dagegen nur
zur Abwehr. Leider fällt uns
heute die Rolle zu, Kulturwerte zu
verteidigen (es braucht dies nicht
nach aussen zu sein), unbewusst
setzt man sich Einwirkungen
entgegen. Gern möchte man
auf diese Situation verzichten
und in seiner Arbeit bejahend
sich von der Zeit tragen lassen,

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wie es in grossen Kulturepochen
der Fall war.

Meine Zeilen habe ich hier
unterbrochen. Ich bin nun
schon wieder zurück, will
Ihnen aber doch diese meine
Grüsse zuschicken. Ich
rufe Sie bald an, und es
würde mich sehr freuen, Sie
bald zu sehen.

Mit großer Herzlich-
keit
Ihr Philipp
Harth.

Meine {Frau} lässt auch herzliche
Grüße bestellen, sie
bleibt bis Sonntag noch
auf dem Gute.